Monika Neidhart | Ratgeber; diverse Medien MLZ
Leser*innenfrage:
«Mir fällt seit längerem auf, dass der Verzehr und das Angebot von Poulet konstant wachsen. Was ist hier passiert? Früher gab es ein ganzes Poulet, wenn überhaupt, dann höchstens an einem Festtag. Und die Brühe vom Suppenhuhn bekamen Wöchnerinnen oder Grippepatienten zur Stärkung.»
Antwort:
Sie haben Recht. Noch vor wenigen Jahrzehnten war Poulet ein Festessen, die Hühnerbrühe ein Heilmittel. Heute ist Pouletfleisch eine der günstigsten Fleischarten. Innerhalb von 25 Jahren hat sich die Zahl der Hühner weltweit verdoppelt. Die Zucht wurde intensiviert. Daraus entwickelten sich zwei Linien, die sogenannten Lege- und Masthybride. Aus dem früheren Haushuhn entwickelten sich zwei Nutztiere. Masthybride sind nach rund einem Monat schlachtreif. Eine Legehenne beginnt im Alter von 20 Wochen Eier zu legen.
Die Entwicklung hat auch ihre negativen Seiten. Von Natur aus können Hähne keine Eier legen. Männliche Legehybride eignen sich auch nicht für die Mast, da sie zu wenig Fleisch ansetzen. Kurz nach dem Schlüpfen werden sie getötet; pro Jahr zwei bis drei Millionen Küken in der Schweiz. Bei den Legehennen zeigt sich das Problem nach anderthalb Jahren. Die Legekurve wird flacher, die Eier werden grösser, die Schale weniger hart. Sie werden «ausgestallt». Und dann? Das Fleisch entspricht nicht mehr unseren Ansprüchen. Gemäss GalloSuisse wurden letztes Jahr 50 % der geschlachteten Hennen unter anderem zu Charcuterie verarbeitet. Die restlichen Tiere werden in einer Biogasanlage zu Energie umgewandelt.
Schluss mit Kükentöten
GalloSuisse wie Bio Suisse möchten wegkommen vom Kükentöten. Im Fokus stehen züchterische und technische Lösungen wie die Bruderhahnmast, das Zweinutzungshuhn oder die Geschlechtserkennung im Ei. Beim Label Demeter ziehen die Halter pro Henne einen Bruderhahn auf.
Die einfachste Lösung ist das Essen von Suppenhühnern und Produkten aus Hennenfleisch und Bruderhahnmast. Würden alle 2.5 Millionen Mehrpersonenhaushalte in der Schweiz jährlich ein Suppenhuhn essen, landeten alle Hennen nach der Legephase auf dem Essteller – gemäss Aussage von GalloSuisse.
Wer ein Suppenhuhn kocht, hat nach vier Stunden Kochzeit zwei wertvolle Grundlagen für feine Gerichte. Vorab die im Aroma kräftige Hühnersuppe. Heute wird die Suppe, die einst Wöchnerinnen zur Stärkung diente, auch als kräftigendes Nahrungsmittel bei aufkommender Grippe, Entzündungen, Müdigkeit und Darmproblemen neu entdeckt. Die Wirkung wird auf das Zusammenspiel der Nährstoffe und die lange Kochzeit zurückgeführt. Für die 300 bis 400 Gramm Fleisch, das ein Suppenhuhn liefert, gibt es Verwendungsmöglichkeiten als Pastetlifüllung oder als «pulled chicken» in einem Hamburger.