Duftende Handwerkskunst aus dem Holzofen

Unser Besuch bei einem Demeter-Verarbeiter galt diesmal Raphael Stadelmann, dem Geschäftsführer von Vier Linden, unter deren Dach eine Holzofenbäckerei mit Kaffee und Backstube, ein Reformhaus, ein Traiteur und eine Geschenkboutique für Genuss in jeder Beziehung sorgen.

Das Unternehmen am Hottingerplatz in Zürich mit Filiale am Goldbrunnenplatz gehört zum Verein Zürcher Eingliederung, wie auch die Wagenburg und der Triemenhof, die Werkstätten und ein Wohnheim. Vier Linden beschäftigt 85 Teil- und Vollzeitangestellte. Manche von ihnen benötigen nahe und zuverlässige Betreuung. Das Herzstück ist ohne Zweifel die Backstube: Nacht für Nacht verlassen mindestens 700 Kilogramm frischgebackenes duftendes Brot den grossen Holzofen, Tag für Tag werden ungezählte feine Guetzli, Kuchen und Wähen gebacken – und sie alle treten ihre Reise in den Fach- und Detailhandel an, um schliesslich bei den glücklichen Konsumenten zu landen.

Herr Stadelmann, was ist bei Vier Linden Demeter?
Wir haben ein Voll-Bio-Konzept, wobei die Mehle, Milchprodukte und die Verarbeitungsabläufe nahezu vollständig den Demeter-Richtlinien entsprechen. Wunsch ist, dass auch alle anderen Zutaten Demeter-Qualität haben, aber nicht immer ist das möglich, weil die Produkte nicht oder nicht in vernünftigen Mengen verfügbar sind oder aber den Preis unverhältnismässig in die Höhe treiben würden. Dann verzichten wir auf die Demeter-Auszeichnung. So gibt es viele Produkte, in denen bis zu 80 oder 90 Prozent Demeter-Zutaten drin sind, ohne das Demeter-Logo zu tragen. Aber der Aufwand, alle hinterlegten Dokumente, Rezepturen und Schilder immer neu anzupassen, wäre einfach zu gross. Im Bereich der Milch haben wir dank der Wagenburg einen geschlossenen Kreislauf.

Was heisst Demeter für die Verarbeitungsprozesse? Was tut Ihr, damit die biodynamische Qualität erhalten bleibt?
Wir erfüllen alle Vorschriften: Es gab Zeiten, da kannte ich die Demeter-Richtlinien fast Wort für Wort auswendig. Die hohe Qualität der Grundprodukte bleibt in erster Linie erhalten dank der Handarbeit und dem frischen Mahlen des Getreides in unserer hauseigenen Mühle. Einem Brotteig ergeht es bei uns fast gleich wie vor hundert Jahren unter den Händen einer Bäuerin. Wir brauchen keine Zusatzstoffe und Backhelfer, die den Teig maschinenfähig machen. Die Teigherstellung ist ein mehrstufiger Prozess, nach jedem Verarbeitungsschritt ist Ruhezeit angesagt. Da ist ein Brot dann eben nicht blitzschnell fertig wie in der industriellen Brotbäckerei.

Was überzeugt Sie am Label Demeter?
Ich kenne Demeter von klein auf – mein Vater hat damals, als sie noch kleiner war, die Zürcher Eingliederung geleitet, und da hab ich oft mitgeholfen. Meine Grosseltern waren Lehrer an der Steinerschule, und auch ich habe sie besucht. Aber man ist ja nicht ein Anthroposoph, wenn man diese Schule hinter sich hat, man wird da einfach mit den Methoden einer ganzheitlichen Pädagogik unterrichtet. Dieses Ganzheitliche ist es, was mich bei Demeter anspricht. Lustigerweise geht es den meisten Menschen so, wenn es um ihren eigenen Körper geht: Sie möchten einen Arzt, der sie ganzheitlich betrachtet. Der nächste Schritt ist dann, dass man das auch für das Umliegende, für die andern Menschen, die Tiere und den Boden möchte.traiteur2_web

Was ist problematisch, könnte aus Ihrer Sicht verbessert werden?
Die Bürokratie mit all den Formularen, minutiösen Warenflussprüfungen usw. erschwert unseren Alltag sehr. Es gab Zeiten, da war ich auf das Thema gar nicht gut zu sprechen, heute ist es etwas besser; es konnten konstruktive Lösungen gefunden werden. Ein konkretes Beispiel ist unser Monats-Brot. Heute muss ich jede einzelne Rezeptur prüfen lassen. Wenn nun aber zum Beispiel die Leinsamen nicht in Demeter-Qualität erhältlich sind, ist die Sache aussichtslos – obwohl der ganze Rest aus biodynamischem Anbau stammt. Dann verzichtet man lieber gleich auf Demeter und verkauft das Brot als Bio-Brot. Früher war die Eigenverantwortung grösser – das habe ich geschätzt.

Wird das wachsende Bewusstsein im Bezug Ernährung und Nahrungsmittelqualität für den Betrieb spürbar? Wie?
Ja, in den letzten fünfzehn Jahren konnten wir ein stetiges Wachstum verzeichnen – obwohl gleichzeitig auch viel mehr Anbieter auf dem Markt sind. Als kleiner Anbieter verlegen wir uns jedoch nicht auf mehr Mengen, sondern besetzen die Nischen und bauen den Bereich der Spezialitäten aus. Wir bieten zum Beispiel einen wunderbaren Demeter-Honig aus dem Bündnerland an, er kostet nicht wenig, ist aber äusserst beliebt. So können wir uns im Reformhaus vom Mainstream absetzen.

Was würden Sie dem Konsumenten antworten, wenn er einige der Produkte zu teuer findet?
Die Frage ist immer, womit der Konsument vergleicht. Im Gegensatz zu konventionell und industriell hergestellten Produkten werden unsere Brote und Backwaren aus hochwertigen biologischen Zutaten handwerklich hergestellt und im Holzofen gebacken. Da stossen wir rein von den Mengen her an Grenzen. Dafür haben unsere Brote einen hohen Nährwert und bleiben lange frisch.

Ab Herbst 2016 wird Vier-Linden-Brot während vorerst sechs Monaten in ausgewählten Migros Filialen im Grossraum Zürich erhältlich sein. Was bedeutet für Ihr Unternehmen dieser Schritt in den Detailhandel?
Als regionales Projekt mit Pilot-Charakter ist für uns der Forschungs-Aspekt sehr interessant. Wir können Erfahrungen machen und dazu beitragen, dass letztlich mehr Demeter-Lebensmittel zu den Konsumenten finden. Bisher hat der Detailhandel den Bio-Konsum angekurbelt, was ich sehr positiv finde. Der Bio-Fachhandel muss und kann vermehrt das Besondere bieten. Langfristig werden wir die Nischen besetzen, denn wir können und wollen nicht gross wachsen. Das hat auch mit dem Konzept zu tun, dass wir mit Menschen mit besonderen Herausforderungen arbeiten.

Welches Interesse steht dahinter, diesen besonderen Verarbeitungsbetrieb zu führen?
Welches Interesse steht dahinter, diesen besonderen Verarbeitungsbetrieb zu führen? Bei uns können Menschen die Lehre machen, die von der intellektuellen Begabung her länger brauchen, bis sie den Abschluss machen können. Sie bekommen bei uns eine Möglichkeit, ein Handwerk zu erlernen. Trotzdem müssen wir selbsttragend sein, d.h., wir bekommen keine Subventionen. Das ist eine spannende Herausforderung.

Wenn Sie Ihr Unternehmen befragen, wie der Bauer seinen Boden, was stellen Sie fest? Ist es im Gleichgewicht? Fehlt ihm etwas?
Wir müssen unser Gleichgewicht immer neu suchen, neu definieren. Der innere Impuls, der Berufsstolz will den Anforderungen von aussen genügen, das heisst, wir müssen unsere Arbeit immer wieder kritisch hinterfragen, müssen qualitativ noch besser werden. Das gilt zum einen im Bezug auf die Rohstoffe, zum andern aber müssen wir auch optische Anforderungen erfüllen. Der Detailhandel will, dass die Produkte immer gleich aussehen … Da müssen wir kontinuierlich die Sorgfalt steigern. Andererseits wollen wir den Kunden auch bewusst machen, was Handarbeit bedeutet: Wir organisieren Kundenanlässe, wo wir dies sicht- und erlebbar machen.

Zum Schluss haben Sie einen Wunsch frei.
Ich wünschte mir, dass man im Bezug auf die Bürokratie einen andern Weg einschlagen würde, indem der Betrieb als solches demeter-zertifiziert würde, und nicht jedes einzelne Produkt. Wir wollen gegenüber den Konsumenten ein verlässlicher Hersteller sein, wollen mit einem starken Label auftreten. Dank der eingesparten Zeit könnten wir uns wieder vermehrt dem Wesentlichen zuwenden.

Vielen Dank, Raphael Stadelmann, für dieses interessante Gespräch.

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