Ob aus ethischer oder gesamtheitlicher Sicht: „Ei“ ohne „Hähnchen“ gibt es nicht. Diesen Gedanken denkt Demeter konsequent zu Ende. Und darum gibt es das zarte Demeter-Junghahnfleisch auf dem Markt. Aber keine Poulets. „Was ist denn der Unterschied?“, fragen sich Konsument*innen. Und passt das überhaupt zusammen: Demeter und Güggeli?
Fette Demeter-Poulets gibt es nicht
Bei Demeter gibt es keine Poulets. Denn eine wirtschaftlich ergiebige Pouletmast setzt voraus, dass ein Huhn so einseitig gezüchtet wurde, dass es in kürzester Zeit viel Fleisch ansetzt, und dies besonders im Brustbereich. Das können nur auf Fleisch gezüchtete Rassen. Die von Demeter klar abgelehnte einseitige Hochleistungszucht führt dazu, dass das Leben dieser Tiere oft eine Tortur ist.
Eine Frage der Verantwortung
Demeter geht es bei der Aufzucht der Junghähne darum, Verantwortung zu übernehmen. Schon vor vielen Jahren begannen innovative biodynamische Produzent*innen Lösungen zu suchen. Heute ist das Aufziehen der Brüder der Legehennen in den Richtlinien verankert.
Eier gehören mit zu den meistgekauften Demeter-Produkten. Wenn man davon ausgeht, dass eine Legehenne pro Jahr 250 Eier legt, dann sucht gleichzeitig ein „Hahn im Glück“-Junghahn jährlich einen Käufer. Kurz gesagt: Wer fünf Eier wöchentlich verspeist, schenkt einem Junghahn das Leben. Demeter-Eierkonsum bedeutet, dass man die Verantwortung dafür übernimmt, dass auch der Hahn, der ja keine Eier legen kann, als Lebensmittel für den Menschen dient.
Wie wachsen Demeter-„Hahn im Glück“-Hähne auf?
Wenn die Junghähne im Kühlregal liegen, haben sie eine laufreiche Vergangenheit hinter sich, denn sie wachsen vorwiegend im Freien auf. Deshalb ist ihr Fleisch aromatisch und mager. Armin Goll, Redaktionsmitglied der “Beiträge für die biodynamische Landwirtschaft“ beobachtete 2017 die Junghähne auf dem Randenhof in Siblingen:
„Die Hähnchen werden in einem separaten Aufzuchtstall eingestallt, denn sie benötigen viel Wärme und Schutz. Wenn sie ein genügend dichtes Federkleid haben, werden sie im Alter von drei bis vier Wochen in den Mobilstall umgestallt. Sichtlich vergnügt und zufrieden (eben glücklich!) sonnen sich die Federbäuschchen in den geöffneten Luken in der Morgensonne und picken im Auslauf vom taufrischen Gras. Im Stall herrscht ein angenehmes Klima. Mit Dachluken lassen sich Wärme und Luftzufuhr manuell regulieren. Vier Futterautomaten und die Tränke in der Mitte sorgen fürs leibliche Wohl.
In der acht- bis zehnwöchigen Gruppe tummeln sich die Hähnchen in den Sandbädern und plustern sich. Ab und zu liefern sich zwei Streithähne mit aufgestellten Halsfedern ein kurzes Scharmützel, doch sofort herrscht wieder Frieden und gesellige Einigkeit. Bei diesen zwei Gruppen ist die Grasnarbe bedeutend stärker «abgemäht», es sind halt glückliche Weidehähne!
Im Stall steht ein Hähnchen auf der elektronischen Waage. Das Display zeigt 1,248 Kilo an. Ich kann auch den Durchschnitt der gewogenen Tiere ablesen. «Ja, es ist schon frappant!», bemerkt Herman Lutke Schipholt. «In der konventionellen Mast mit Mastrassen erreicht ein Küken mit sechs Wochen ein Gewicht von ca. 2,2 Kilo, die ‹Hähne im Glück› dürfen zehn oder elf Wochen Sonne und Auslauf geniessen und bringen dann ‹nur› 1,3 Kilo auf die Waage. Das sind Welten!»
Ethik und Recht stehen – eigentlich – auf der Seite der Tiere
Bei «Hahn im Glück» stehen ethische Interessen im Vordergrund, nicht wirtschaftliche. Aber auch die Bundesverfassung und das Tierschutzrecht sprechen vom Prinzip des Schutzes der Tierwürde. Sie stünden damit eigentlich auf der Seite der Tiere – siehe dazu den Kommentar von Katerina Stoykova von der Stiftung für das Tier im Recht TIR.
Demeter-Haltung wahrt die Würde der Tiere – und arbeitet weiter
Die Qualität der Demeter-Eierproduktion wird laufend ausgebaut, einerseits durch die Mast derselben Anzahl Hähne, wie Legehennen gehalten werden, andererseits durch die Fütterung mit mindestens 10 % Hofanteil und dem, dass bis im Jahr 2025 50 % des Futters aus der Schweiz oder vom eigenen Hof stammen. Eine entscheidende Voraussetzung für die Wahrung der Tierwürde ist die verantwortungsvolle Zucht im Bereich der Zweinutzungsrassen, die für die biodynamische Haltung geeignet sind.
Das meint die Stiftung für das Tier im Recht:
Kompetenzzentrum für das Tier in Recht, Ethik und Gesellschaft
„Die Hochleistungszucht und die gängigen Haltungsbedingungen bei Masthühnern führen dazu, dass vielfach schmerzhafte Gelenkschäden sowie Geschwüre und Entzündungen an den Füssen auftreten. Sitzstangen sind für Masthühner nicht obligatorisch, obwohl sie dem natürlichen Bedürfnis der Tiere entsprechen. Mit ihrer überdimensionierten Brust würden sie jedoch nach vorne kippen. Gegen Ende der Mast sind die Tiere kaum mehr fähig zu gehen, geschweige denn zu hüpfen oder zu fliegen.
Als unerwünschtes Nebenprodukt wird der Eigenwert der Küken vollständig missachtet
Im Rahmen der Eierproduktion werden in der Schweiz jedes Jahr rund zwei Millionen männliche Küken von einseitigen Legehennenzuchtlinien an ihrem ersten Lebenstag als «industrieller Abfall» vergast oder geschreddert, da sie keine Eier legen und, im Gegensatz zu den für die Fleischproduktion gezüchteten Masthühnern, langsamer an Gewicht zulegen und somit für die Produzenten «wertlos» sind. Dieses höchst fragwürdige Vorgehen widerspricht klar dem in der Bundesverfassung wie auch im Tierschutzgesetz verankerten Prinzip des Schutzes der Tierwürde. Durch das Töten der Küken als unerwünschtes Nebenprodukt wird deren Eigenwert vollständig missachtet. Dennoch wird diese Praktik von der Tierschutzverordnung erlaubt. Um solchen lebensverachtenden Auswüchsen im Umgang mit Nutzhühnern entgegenzuwirken, braucht es politische Entscheidungsträger, Behörden und die Gesellschaft, die für die Anliegen der Tiere genügend sensibilisiert sind. Nur so kann dem Tierwürdekonzept tatsächlich zum Durchbruch verholfen werden.“
Katerina Stoykova, rechtswissenschaftliche Mitarbeiterin von Tier im Recht
tierimrecht.org