Bild: Simone Helmle

Einen Tag vor seinem 67. Geburtstag hat Klaus für die Zurückgebliebenen überraschend seine grosse Reise angetreten.

Klaus wächst als einziges Kind auf dem landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern auf. Er darf das Gymnasium besuchen und hat in Riedenberg und Sillenbuch Freunde aus unterschiedlichen sozialen Milieus. Nach dem Abitur lernt er als Praktikant auf dem Betrieb von Peter Blaser in der Schweiz die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise kennen und das damit verbundene anthroposophische Menschen- und Weltbild, das ihn seit dieser Zeit begleitet und in all seinen Dimensionen beschäftigt. Während seiner landwirtschaftlichen Grund- und dann Meisterausbildung arbeitet er auf verschiedenen Höfen. Um seine anthroposophischen Kenntnisse und dabei vor allem den Goetheanismus zu vertiefen, macht er ein wissenschaftliches Jahr am Goetheanum in der Schweiz bei Jochen Bockemühl. Er beschäftigt sich mit der unterschiedlichen Wirkung von Kompost, Mist und Kunstdünger auf die Pflanzengestalt. Er differenziert Licht- und Schattenwirkungen in den jeweils unterschiedlich gedüngten Pflanzen.

Da sein Vater den landwirtschaftlichen Betrieb noch nicht übergeben kann, nutzt er die Zeit bis zur Übernahme mit einem Studium an der Universität Hohenheim. Dort beschäftigt ihn wieder die Wirkung des Stickstoffs und seine Dynamik.

Nach der Übernahme des Betriebes zusammen mit seiner Frau Monika – ihre beiden Mädchen sind inzwischen geboren – stellen sie den Betrieb auf die biodynamische Wirtschaftsweise um. In diese Zeit fällt die Einführung der neuen EU-Bioverordnung, die damit verbundene Umstellungswelle und der Zusammenbruch des Bio-Getreidemarktes. Während der folgenden 3 Jahrzehnte widmet Klaus viel Zeit und Herzblut der Gestaltung eines fairen Getreidemarktes mit der Pflege der Beziehungen zwischen den Marktpartnern und den Versuchen Angebot, Anbau und Nachfrage besser aufeinander abzustimmen. Als Geschäftsführer des Verbandes der Demeter Getreideerzeuger im deutschen Südwesten koordiniert er den Anbau von Weizen, Dinkel, Hafer und Roggen. Er ist überzeugt, dass nur durch eine gemeinsame Wahrnehmung der Bedürfnisse aller an der Wertschöpfungskette Beteiligter, die Qualitäts- und Mengenfragen so gelöst werden können, dass einerseits eine ausreichende Versorgungssicherheit in guter Ernährungsqualität gewährleistet ist, und andererseits durch die Abstimmung von Angebot und Nachfrage Preise entstehen, die den Bauern ein faires, d.h. in der Gesellschaft vergleichbares Einkommen ermöglichen. Seinen Idealismus prüft er immer wieder an der Realität ab und macht viele erfolgreiche, aber auch enttäuschende Erfahrungen.

Mit seiner Frau entwickelt er den eigenen Betrieb immer mehr als direktvermarktenden Betrieb weiter, mit steigendem Hackfruchtanbau. Gemüseparzellen für Privatkunden werden angeboten und seit ein paar Jahren mit der Solidarischen Landwirtschaft kooperiert.

Neben der physisch fordernden praktischen Arbeit und der nervenaufreibenden Vermarktungstätigkeit, widmet Klaus sich vor allem auch in den späten Abend- und Nachtstunden dem Studium der Geisteswissenschaft Rudolf Steiners. Seit seiner Gründung engagiert er sich im bundesdeutschen Grundlagenkreis, ist Mitglied im Vertreterkreis der landwirtschaftlichen Sektion am Goetheanum und steuert dort immer wieder Beiträge bei den grossen landwirtschaftlichen Tagungen bei. Er ist Mit-Initiator des Wirtschaftskreises an der landwirtschaftlichen Sektion, in dem an den grundlegenden Fragen und Beispielen für ein assoziatives Wirtschaften gearbeitet wird.

Mit grossem Engagement bringt sich Klaus über viele Jahre in den Demeter Verband ein, als Vorstand des Demeter Landesverbandes Baden-Württemberg, als stellvertretender Delegierter, als Facharbeitsgruppensprecher Getreide, und im Sprecherkreis der Facharbeitsgruppe der Erzeuger. Dabei sorgt Klaus stets für mehr Verständnis und kämpft für mehr Gerechtigkeit, im Hinblick auf das assoziative Wirtschaften, die Zusammenarbeit zwischen Bund und Regionen im Zuge des OE-Prozesses und zuletzt bei der Entwicklung der neuen Beitragsordnung.

Man konnte an Klaus‘ Darstellungen – zuletzt auf der Herbsttagung von Demeter Baden-Württemberg in Ulm – erleben, wie er damit gerungen hat, wie man die von ihm geschauten und verstandenen, vielschichtigen Facetten der Wirklichkeit, zusammenfassen und vermitteln kann.

Klaus prägt massgebend einen Lesekreis, der in unterschiedlicher Zusammensetzung nun 40 Jahre lang sich mit den verschiedenen Aspekten der Anthroposophie beschäftigt. Die Breite der dort bearbeiteten Themen spiegeln Klaus‘ breites Interesse wider, das von grundlegend philosophischen Fragen, über die landwirtschaftlichen Themen, zu sozialen Fragen, nationalökonomischen Themen, sowie einem vertieften Verständnis der christlichen Motive reicht.

Sein Kernanliegen war es, wie wir unsere Verantwortung für diese Erde leben können und die geistigen Kräfte, die nach wie vor uns zuströmen, in der Landwirtschaft, im Sozialen und im wirtschaftlich füreinander tätig sein, wirksam werden lassen. Er hat es auf besondere Weise vermocht, seine Erfahrungen durch Steiners Gedanken zu beleuchten. Oft hat er uns klar gemacht, dass man zu dieser oder jener Aussage Steiners auch Stellen finden wird, wo dieser es anders schildert. Das hat er immer als Auftrag verstanden, im Denken beweglich zu bleiben.

Stets hat er sich seinen ganz eigenen Standpunkt, seine Erkenntnis, sein Verständnis erarbeitet. Diese Gründlichkeit im Denken, gepaart mit Vorurteilsfreiheit, macht ihn zu einem wahrhaftigen Freigeist.

Neben dem geistig weiten Horizont unternimmt er auch Reisen bis nach Indien zum Organic World Congress 2017. Das ist nur möglich, weil Monika ihm den Rückhalt gibt, indem sie sich um die Alltagsfragen am Hof kümmert.

2024 vollzieht er die Hofübergabe an die nächste Generation, seine Tochter Johanna mit Mann und Kindern. Er freut sich auf die kommende Zeit und ist frei für Neues. Vieles im Äusseren und Inneren bringt er zum Abschluss. Er initiiert die Planung einer Reise nach Tibet in diese spirituelle, karge, dem Himmel nahe Kulturlandschaft.

Nun hat er eine andere Reise ins Licht angetreten.