Jean-Denis Perrochet ist biodynamischer Weinbauer und Mitglied des Initiativkomitees „Schweiz ohne synthetische Pestizide“

Interview mit Jean-Denis Perrochet

26. Jan. 2021 | Kommunikation Demeter Schweiz _ co

Der Schweizerische Demeter-Verband hat im November 2020 die Ja-Parole zur Pestizidinitiative beschlossen. Demeter steht für eine wesensgemässe, naturnahe und zukunftsfähige Landwirtschaft und Verarbeitungsweise und die Initiative weist den Weg in dieselbe Richtung. Jean-Denis Perrochet ist biodynamischer Weinbauer und Mitglied des Initiativkomitees. Wir haben mit ihm über sein Engagement, die Initiative und deren Auswirkungen gesprochen.

Können Sie uns kurz Ihren Betrieb beschreiben?

Das Weingut La Maison Carrée ist ein 10,5 ha grosser Familienbetrieb in Auvernier. Seit 1827 ist der Betrieb über 7 Generationen vom Vater zum Sohn weitergegeben worden. Unsere Arbeit teilt sich auf in Weinanbau, Weinherstellung und den Verkauf von Wein auf unserem Gut. Wir waren lange Zeit IP-Suisse zertifiziert und haben uns immer mehr in Richtung der ökologischen Landwirtschaft entwickelt.

Das Weingut La Maison Carrée

Seit 2013 ist unser Betrieb nun Demeter-zertifiziert. Zusammen mit meiner Frau, unserem Sohn und mir arbeiten drei feste Mitarbeitende das ganze Jahr über auf unserem Betrieb. Für die Sommersaison und die Ernte unterstützen uns saisonale Helfer*innen. 60% unserer Weine verkaufen wir in der Westschweiz, etwas mehr als ein Drittel in der Deutschschweiz und im Tessin und 3-4% der Weine gehen in den Export.

Was hat Sie dazu bewogen, dem Initiativkomitee „Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide“ beizutreten?

Wir sind der praktische und lebendige Beweis dafür, dass eine landwirtschaftliche Produktion ohne synthetische Pestizide in der Schweiz möglich ist, wenn der Wille dazu vorhanden ist. Mit meinem Engagement möchte ich einen Beitrag leisten, um eine Antwort auf die aktuellen Umweltherausforderungen wie den Verlust der Artenvielfalt, Gesundheitsprobleme und die Verschmutzung zu geben.

Was möchte die Initiative kurz gesagt bewirken?

Die Initiative möchte gesunde Lebensmittel für alle zugänglich machen. Die Wettbewerbsverzerrung zwischen Importen und heimischer Lebensmittelproduktion soll gestoppt werden, um eine starke, rentable und nachhaltige Landwirtschaft in der Schweiz zu erhalten. Unsere Erde, die biologische Vielfalt, von der unser Leben abhängt, muss bewahrt werden, um eine bessere Lebensumgebung für zukünftige Generationen zu sichern. Zudem möchte die Initiative Landwirte aus ihrer derzeitigen Abhängigkeit von industriellen Agrochemikalien befreien.

Was unterscheidet chemisch-synthetische Pestizide von natürlichen?

Natürliche Pestizide sind Substanzen, die so in der Natur vorkommen. Sie können giftig sein, aber ihr Abbau erfolgt auf natürliche Weise, ohne Rückstände zu hinterlassen, die der Artenvielfalt schaden. Synthetische Pestizide sind Moleküle, die von Chemikern im Labor erfunden und kreiert wurden, hauptsächlich seit etwa einem Jahrhundert. Diese Stoffe kommen auf der Erde natürlicherweise nicht vor. Aus diesem Grund ist ihr direkter Einfluss auf die globale Umwelt – die Gesundheit, die Biodiversität, die Erde, die Luft und das Wasser – oder der indirekte Einfluss über ihre Abbauprodukte, sogenannte Metaboliten, in der Natur bis heute nicht bekannt. Oft dauert es sehr lange, bis sie ganz abgebaut sind. Deshalb stellen sie eine echte Gefahr für Mensch, Tier und Biodiversität dar. Die mittel- bis langfristige Wirkung der Vermischung dieser Stoffe untereinander in der Umwelt, auch Cocktaileffekt genannt, ist unbekannt und praktisch nicht zu analysieren. 

Gründüngung und der eigene präparierte Kompost sorgen für ein lebendiges Bodenleben

Wie stellen Sie auf Ihrem Betrieb sicher, dass Ihre Pflanzen gesund sind?

Eine gesunde Pflanze bezieht ihre Nährstoffe aus dem Boden. Deshalb fördern wir das gute Funktionieren unserer Böden, indem wir Gründüngung aussäen und unseren eigenen Kompost verwenden, der mit biodynamischen Präparaten hergestellt wird. Da der Weinbau in unseren Breitengraden eine Intensivkultur ist, schützen wir ihn durch das Spritzen von natürlichen Pflanzenschutzmitteln auf Basis von Kupfer und Schwefel. Unsere Hauptschädlinge sind Pilze, namentlich Falscher Mehltau, Echter Mehltau und Graufäule. Um die Dosen von Kupfer oder Schwefel zu reduzieren, spritzen wir auch verschiedene Kräutertees oder Sude von Schachtelhalm, Brennnessel, Weide und Klette, ätherische Öle (z. B. Oregano, Lavendel oder Orange) und Molke. Seit zwei Jahren läuft ein Versuch, Kupfer komplett durch Frischmilch zu ersetzen, um den Mehltau zu bekämpfen. – Insekten- und Milbenschädlinge befinden sich bei uns im Gleichgewicht mit ihren eigenen Fressfeinden und stellen daher keine grosse Gefahr dar. Einzige Ausnahme ist der Traubenwickler, den wir durch den regelmässigen Einsatz von Pheromonen aber im Griff haben.

Der Verzicht auf chemisch-synthetische Pestizide wird für viele eine grosse Herausforderung. Biodynamische Betriebe haben einen Wissensvorsprung, wie können Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen unterstützen?

Wenn der Verzicht auf synthetische Chemie in der Landwirtschaft schon eine grosse Herausforderung ist, so wird die Säuberung unseres Planeten von der Verschmutzung, die wir erst seit kurzem haben, noch viel komplexer sein. Wenn wir nicht eine echte Veränderung in der Art und Weise vornehmen, wie wir unsere Lebensmittel produzieren und allgemein leben, wird es gar unmöglich sein. Ich kann meine Bauernkolleg*innen nur ermutigen, sich von synthetischen Pflanzenschutzmitteln zu verabschieden, denn es ist möglich. Der Wunsch, unsere Unabhängigkeit von Agrochemikalien wiederzuerlangen, ist ein Wunsch, der jede*n von uns beseelen sollte. Die im 20. Jahrhundert erhofften Arbeitserleichterungen durch Kunstdünger und Pestizide waren nicht von langer Dauer. Wir sehen heute, dass der Rückgang der Artenvielfalt und der Fruchtbarkeit unserer Böden dramatisch ist. Wir müssen jetzt handeln, indem wir gesunde Lebensmittel für die gesamte Gesellschaft bereitstellen. Nur so können wir es unseren Kindern ermöglichen, weiterhin von unserem Beruf zu leben und mit Optimismus und Gelassenheit in die Zukunft zu blicken.

Was antworten Sie Bio- und Demeter-Bäuerinnen und -Bauern, die Angst vor Konkurrenz bei einer Annahme der Initiative haben?

Wenn sie existiert, bin ich von dieser Argumentation zutiefst enttäuscht. Bio- und Demeter-Betriebe, die die Initiative aus Angst vor Konkurrenz nicht unterstützen, verlieren jegliche Glaubwürdigkeit. Das ist ein egoistischer Gedanke weit weg vom Ideal, welches uns antreiben sollte, gesunde Lebensmittel auf nachhaltige Weise zu produzieren, die für alle zugänglich sind.

Die Qualitätsansprüche von Handel, Verarbeitung und Konsument*innen sind hoch. Sind sich die Initiant*innen dieser Herausforderung bewusst? Wo sehen Sie die grössten Hürden und wie denken Sie, dass diese genommen werden können?

Die derzeitige Lebensmittelproduktion und der durch die Grossverteiler diktierte Perfektionismus verursachen 40% der Lebensmittelverschwendung. Dies ist weder akzeptabel noch nachhaltig. Die Aufklärung der Konsument*innen wird die grösste Herausforderung sein, dessen sind wir uns bewusst. Die Akzeptanz von Lebensmitteln, die manchmal nicht perfekt aussehen, aber frei von giftigen Rückständen sind, ist wichtiger für die eigene Gesundheit und die unserer Erde. Das ist die Botschaft, die wir vermitteln müssen. Ein solcher Paradigmenwechsel ist grundlegend und muss durch politischen Willen auf allen Ebenen, in Landwirtschaft, Forschung und Bildung unterstützt werden. Das Überleben unserer Spezies auf der Erde steht auf dem Spiel.

Die Initiative umfasst auch Importe. Inwiefern könnte ein internationales Label wie Demeter hier als Vorbild dienen?

Unsere Initiative verlangt keine Demeter-gekennzeichnete Lebensmittelproduktion. Sie fordert lediglich den Verzicht auf synthetische Chemikalien in der Schweizer Agrarproduktion und Landschaftspflege. Zudem fordert sie für Lebensmittelimporte die gleichen Bedingungen wie für die inländische Produktion. Das Demeter-Siegel ist eine weltweit anerkannte Garantie für hervorragende Qualität, was bei Importen natürlich positiv ist. Aber auch wenn es den Export in die Schweiz wesentlich erleichtert, kann es nicht zum neuen Produktionsstandard werden, dazu ist es zu anspruchsvoll.

Wie können Konsument*innen bereits heute Verantwortung im Sinne der Initiative übernehmen?

Indem sie bei ihren regelmässigen Einkäufen Lebensmittel verlangen, die frei von synthetischen Pestiziden sind, zum Beispiel Bio-Produkte oder solche mit einem gleichwertigen Label. Zudem können sie die übertriebenen Margen anprangern, die Bio für eine grosse Mehrheit der Bevölkerung mit bescheidenen finanziellen Mitteln unzugänglich machen. Und natürlich, indem wir in allen Schweizer Kantonen die Kampagne für ein „JA“ zu dieser Initiative aktiv unterstützen. Informiert zu sein und sich aktiv an der Kampagne zu beteiligen, geht jeden etwas an!

Was können Ihrer Meinung nach biodynamische Produzent*innen noch besser machen?

Demeter-Landwirt*innen können laut und deutlich bezeugen, dass eine Landwirtschaft ohne synthetische Pestizide möglich und profitabel ist. Und sie können zeigen, dass Biodynamik keine Elitelandwirtschaft ist, sondern zugänglich und machbar.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Dass die Initiative für eine pestizidfreie Schweiz im kommenden Juni angenommen wird und so einen Paradigmenwechsel in der Agrarpolitik, der landwirtschaftlichen Produktion, der Philosophie und den Konsumgewohnheiten in Gang setzt. Wir müssen der Erde die Fähigkeit zurückgeben, Nahrungsmittel zu produzieren, wie dies vor dem 20. Jahrhundert der Fall war. Gemeinsam mit der heutigen Maschinentechnik würde damit die weltweite Landwirtschaft reformiert und würde es allen Menschen auf der Erde ermöglichen, sich satt zu essen. Trotz der derzeitigen dramatischen Verschlechterung unserer Umweltbedingungen wünsche ich mir, unseren Kindern die Hoffnung auf ein nachhaltiges Leben auf der Erde für sie und die kommenden Generationen zurückgeben zu können.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

26.01.2021 / CO