Landfreund, 23.4.2020 | Nadine Maier

Hahn oder Huhn? Dies ist für die meisten Küken eine Frage des Überlebens. Auf Schweizer Demeter-Betrieben dürfen auch die männlichen Tiere weiterleben. Landwirt Emanuel Wagner gibt einen Einblick in die Herausforderungen der Bruderhahnmast.

Der Betriebsleiter Emanuel Wagner verkauft Mastplätze an Betriebe, die auf ihrem Hof nicht mästen.

Emanuel Wagner leitet den Landwirtschaftsbetrieb der Stiftung Puureheimet Brotchorb in Stallikon (ZH). Er bewirtschaftet den Betrieb biologisch-dynamisch.

Seit 2019 sind Demeter-Höfe, die Legehennen halten, verpflichtet, dass auf ihrem oder einem anderen Betrieb genauso viele männliche Tiere aufwachsen, wie sie Hühner halten.

Wagner mästet auf dem Betrieb mehr Brüder, als dass er Schwestern besitzt. «Ich kann die Mastplätze einem Betrieb verkaufen, der nicht mästet», erklärt der Landwirt. «Ich rechne Kosten minus Erlös. Pro Hahn ergibt das zirka 9 CHF, die mir ein anderer Bauer bezahlt.»

Schwestern stützen Brüder

Die Mehrkosten aus der Bruderhahnaufzucht versucht er über den Eierverkauf zu kompensieren. Einfach gesagt heisst dies: Die Schwestern tragen mit ihren Eiern dazu bei, dass die Brüder aufgezogen werden können. «Früher kostete bei uns ein Ei 80 Rp. und heute 1 CHF», so Wagner. «Die Schwester sponsort ihren Bruder mit 20 Rp.»

Während in Mastlinien sowohl Hahn wie auch Henne auf den Fleischansatz gezüchtet sind, ist die Legelinie auf die Eierproduktion ausgerichtet. Bruderhähne setzen im Verhältnis zur Futtermenge zu wenig Fleisch an – ihre Aufzucht gilt als unrentabel, weshalb sie meist keine zwei Tage alt werden. Es stellt sich also die Frage, ob die Bruderhahnmast eine rein ethische Frage ist oder für den Betrieb auch wirtschaftlich sein kann. «Es kommt darauf an, wie man sich organisiert und ob die Kundschaft bereit ist, einen höheren Preis zu bezahlen», sagt Wagner. «Wir verlangen 30 CHF/kg und so ist es für uns rentabel.» Im Vergleich: Ein ganzes Biopoulet bei der Migros kostet zirka 19 CHF/kg.

Wagner vermarktet das Fleisch über den eigenen Hofladen. Kunden schreibt er per Mail an, und im Hofladen liegen Bestellzettel aus. Er verkauft nur ganze Poulets – der Rest wäre zu aufwendig. Und die Erfahrung zeigt: «Wir haben immer zu wenig Poulets. Die Philosophie und das Fleisch kommen bei den Konsumenten sehr gut an.»

Geschichte erzählen

Zu Beginn braucht es jedoch Aufklärungsarbeit. «Die Leute runzeln die Stirn, wenn sie plötzlich sehen, dass die Eier 1,20 CHF mehr kosten pro Sechserpackung», sagt Wagner. «Aber wenn sich der Landwirt Zeit nimmt und den Konsumenten die Geschichte und den Grund für die Preiserhöhung erklärt, dann bezahlen sie gerne mehr.» Ein super Verkaufsargument sei es, wenn die Kundschaft die glücklichen Hähne und Hühner auf der Weide herumspazieren sehen.

Wagner hält seine Hähne in einem selbst gebauten Mobilstall. Diesen platziert er in regelmässigen Abständen um. Am liebsten hat er den ursprünglichen Bauwagen im Obstgarten zu stehen. Dort finden die Tiere auf der Weide ausreichend Schatten- und Rückzugsplätze unter den Bäumen.

Die Küken kommen im Alter von zwei Tagen auf den Betrieb. Die erste Zeit verbringen sie unter Wärmelampen im Bauwagen. Später geht es auf die Weide, und nur die Nächte verbringen sie im Mobilstall.

Die Innenfläche des Bauwagens kann der Landwirt mit einfachen Handgriffen vergrössern. «Wir haben Schubladen konstruiert, die wir rausziehen können, und somit steht den Tieren ab einem gewissen Alter mehr Fläche im Stall zur Verfügung.» Im Sommer staut sich die Hitze im Wagen gerne an, deshalb baute Wagner Fenster als Lüftungsmodule ein.

Jeweils am Morgen und am Abend fährt jemand zu den Hähnen, öffnet die Türen des Mobilstalls und kontrolliert Futter und Wasser. Pro Jahr macht Wagner zwei Mastumtriebe. «Da der Verkauf der Poulets so gut läuft, wären auch mehr Umtriebe denkbar», so der Landwirt. «Das Problem ist aber, dass uns im Winter draussen auf dem Feld das Wasser einfriert. Vom Handling her ist somit ein Umtrieb im Winter sehr anspruchsvoll, weshalb wir bisher darauf verzichteten.»

Keine guten Futterverwerter

Die Hähne erreichen nach zirka 16 Wochen ihr Schlachtgewicht. Bis dahin frisst jeder Hahn knapp 10 kg Futter. «Den Getreideanteil in der Fütterung möchte ich unbedingt noch reduzieren und somit die Ressourceneffizienz steigern», sagt Wagner. «Wie viel Getreide ich für die Fütterung brauche, hängt auch davon ab, wie motiviert die Hähne sind, Gras zu fressen.»

Gute Masterfahrungen machte der Landwirt mit den Rassen New Hampshire und Sussex. In Kürze startet Wagner einen ersten Versuch mit Populationskreuzungstieren.

«Wir bekommen 100 Küken und sehen dann mit der Zeit, wie viele Hühner und wie viele Hähne wir haben. Es ist eine sehr naturnahe Variante, die ich unbedingt testen möchte.»

Haben die Hähne ihr Schlachtgewicht erreicht, bringt Wagner alle 100 Stück gleichzeitig zum Schlachter. Damit die Hähne weniger Stress haben, verlädt er die Tiere am frühen Morgen und fährt dann gleich los.

Eine Stunde Fahrt nimmt Wagner auf sich, um die Tiere zum Schlachter zu fahren. «Kleinere Schlachtbetriebe arbeiten viel von Hand. Bruderhähne sind aber kleiner und somit ist es anstrengend, die Innereien von Hand zu entnehmen», erklärt Wagner. Deshalb musste er den etwas längeren Weg nach Safenwil (AG) in Kauf nehmen. Um die Kosten tief zu halten, hilft der Landwirt bei der Verarbeitung mit.

SCHNELL GELESEN

      • Die Bruderhahnmast finanziert Emanuel Wagner durch den Verkauf der Legehenneneier quer.
      • Die Futterverwertung der Hähne aus Legelinien lässt zu wünschen übrig.

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