Bäckerei vom Speisehaus am Goetheanum
Ein Gespräch mit Thomas Didden, Geschäftsführer und Verwaltungsrat

Gegründet in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts als Kantine für die Bauarbeiter am Goetheanum, hat sich das Speisehaus bald zu einem Vollwertrestaurant entwickelt. Später kamen die Cafeteria, die Bäckerei und die Verpflegung der Tagungsgäste des Goetheanum hinzu. So ist die relativ kleine Küche heute in der Lage, pro Tag bis zu 1000 Personen zu verpflegen. Ein Lebensmittelladen und eine Boutique ergänzen das Angebot.
Nacht für Nacht werden in der Backstube frische Brote und Backwaren, Früchte- und Gemüsewähen und Torten gebacken. Die Spezialität des Hauses sind die Backferment-Brote, die es in den verschiedensten Variationen gibt. Sie werden ohne Zusatz von Hefe oder Sauerteig auf einer speziellen Fermentbasis hergestellt. Zwei Drittel aller Backwaren werden an verschiedene Läden und Institutionen in der Umgebung von Dornach und Basel geliefert, ein Drittel wird intern im Speisehaus, in der Cafeteria und im Bioladen gebraucht.

Die Vital Speisehaus AG ist eine Aktiengesellschaft. Das von Thomas Didden geführte Unternehmen liegt am Fusse des Goetheanum und beschäftigt heute rund 50 Mitarbeitende, davon fünf bis sechs in der Bäckerei.

Herr Didden, was ist in der Speisehaus-Bäckerei Demeter?
Wir sind ein vollzertifizierter Bio-Betrieb. Mehle, Milch, Butter und Saaten verwenden wir ausschliesslich in Demeter-Qualität. Das Demeter-Label tragen alle unsere Brote und Brötchen, inklusive der Gipfeli. Sie sind unsere Botschafter! Alle wollen sie haben, und wer mal eines gegessen hat, weiss, warum das so ist. Für unsere 150’000 handgeformten Croissants brauchen wir jährlich fünf Tonnen Demeter-Butter …
Schwierig wird es bei all jenen Dingen, die Zutaten wie Früchte, Eier und Rahm enthalten, sei dies, weil sie nicht verfügbar sind und/oder wegen des Preises, den wohl nur noch wenige Kunden zu zahlen bereit wären. Die daraus entstehenden Produkte sind dann „nur“ bio. Unsere Kunden wollen beispielsweise nicht einen Winter lang nur Apfel- und Birnenwähe essen. Aber es gibt nun mal keine tiefgekühlten Schweizer Demeter-Zwetschgen.

Was heisst Demeter für die Verarbeitungsprozesse? Was tun Sie, damit die biodynamische Qualität erhalten bleibt?
Dadurch, dass in den Demeter-Produkten keine Hilfsstoffe verarbeitet werden, so wie dies in vielen konventionellen Produkten der Fall ist, sind die Anforderungen an das Können der Mitarbeitenden deutlich höher. Ausserdem reagieren Demeter-Rohstoffe – ich möchte sagen – sensibler. Der Demeter-Verband sollte daher darauf achten, dass die Verarbeitungsrichtlinien und Rahmenbedingungen unbedingt den gesellschaftlichen Bedürfnissen angepasst sind. Selbstverständlich steht die Qualität an erster Stelle. Gleichzeitig muss es aber auch möglich sein, Demeter Nahrungsmittel in einem Umfang zu produzieren, der dem steigenden Bedarf an nachhaltiger, biologischer Ernährung gerecht wird.

Plädieren Sie für eine Veränderung der Richtlinien für Verarbeiter?
Ich bin ein Verfechter des wesensgemässen Anbaus und der wesensgemässen Verarbeitung ohne unnötige Hilfsstoffe. Pochen wir jedoch auf eine allzu konsequente Umsetzung, so hat das zur Folge, dass Demeter in der Nische bleibt. Wollen wir das? Wollen wir Demeter nur für einige wenige, oder wollen wir Demeter für alle?
Wir sehen Demeter als Qualitätsstandard, der viel weiter verbreitet werden sollte. Demeter sollte man in jedem Supermarkt ganz normal kaufen können. Fakt ist: In der Schweiz ist das anders – im Gegensatz zu Holland, Deutschland. Das Ziel ist für mich immer Entwicklung. Jeder Boden, der wesensgemäss bebaut wird, verbessert sich. Jede Nahrung, die auf diesem Boden wächst, ergibt qualitativ hochstehende Lebensmittel. In Bezug auf Vitalität und Qualität bedeutet die Erhältlichkeit von mehr Demeter-Produkten für mehr Menschen ein konkretes Mehr an Lebendigkeit. Wir sind Teil dieser Gesellschaft, und wir sind verpflichtet, uns in sie einzubringen. Der Demeter-Anbau und die wesensgemässe Ernährung werden durch die tiefgekühlte Demeter-Zwetschge gefördert. Ich würde mich gegen unnötige Hilfsstoffe in der Demeter-Verarbeitung sträuben, aber weitere Schritte in der Verarbeitung sind angesagt. Es geht immer darum, sich zu bewegen. Der Sicherheitscharakter einer stark wertwahrenden Haltung verhindert Entwicklungsmöglichkeiten. Immer bei zu starker Abgrenzung beginnen die Probleme. Wir müssen uns aber weltoffen mit unseren Anliegen einsetzen.

Seit vergangenem Jahr ist Ihr Brot in zwölf Coop-Filialen der Region erhältlich. Was bedeutet für Ihr Unternehmen dieser Schritt in den Grossverteiler?
Wir haben diese Zusammenarbeit gesucht, und wir sind glücklich, mit einem Spitzen-Produkt, unserem Dinkel-Backfermentbrot, da vertreten zu sein. Das Fazit nach einem knappen halben Jahr ist äusserst positiv. Anscheinend gibt es kaum Abschreiber; Coop will das Angebot auf weitere zwanzig Filialen ausweiten. Wir erleben Coop als sehr fairen Partner mit exakt denselben Bedingungen wie alle andern.

Was überzeugt Sie am Label Demeter?
Ich beschäftige mich seit über 40 Jahren mit Anthroposophie, und als Betriebsleiter und genussfähiger Mensch bin ich überzeugt von der spürbaren Qualität von Demeter. Es schmeckt einfach besser. Es ist nicht nur das Wissen oder die Vorstellung aufgrund von Wissen – es ist eine Erfahrung. Meiner Meinung nach ist Demeter die momentan beste Anbau- und Herstellungsweise. Deswegen machen wir das hier so. Aber es muss wirtschaftlich realisierbar sein. Wir sind weder ein Subventionsbetrieb noch ein Rendite-Objekt, aber wir können unsere Löhne bezahlen.

Was ist problematisch, könnte aus Ihrer Sicht verbessert werden?
Ein grosser Wunsch von Verarbeiterseite ist, dass die verschiedenen Zertifizierungsstellen ihre Zusammenarbeit verstärken. Oder anders gesagt: Demeter hat zwar immer die strengeren Vorschriften, aber wenn wir für die zusätzliche Knospe-Zertifizierung das ganze Prozedere von vorne und nach anderen Gesichtspunkten noch einmal durchführen müssen, dann ist das zu viel und zu aufwändige Bürokratie, die sich vermeiden liesse.
Für uns wäre es, wie oben ausgeführt, sehr hilfreich, wenn die Verarbeitungsrichtlinien bei gleicher Qualität regelmässig den veränderten gesellschaftlichen Bedürfnissen angepasst würden.

Was würden Sie dem Konsumenten antworten, wenn er einige der Produkte zu teuer findet?
Jeder Kunde ist selbst dafür verantwortlich, nach welchen Prioritäten er seine Finanzmittel einsetzt. Der Preis bleibt immer eine Frage des Bewusstseins. In den vergangenen hundert Jahren sind die Ausgaben für Lebensmittel von 50% auf 10% der Gesamtausgaben eines Haushalts geschrumpft. Die Frage muss jeder selbst beantworten: Was sättigt, befriedigt mich? Welche Ansprüche habe ich an eine Ernährung? Der Kunde entscheidet – wir können und wollen ein Produkt nicht „billiger“ machen. Wenn wir zu „Bio“ downgraden, dann nur wegen allzu hoher Warenkosten oder fehlender Verfügbarkeit.

Welches Interesse steht dahinter, diesen besonderen Verarbeitungsbetrieb zu führen?
Begonnen hat mein Speisehaus-Abenteuer damit, dass ich zu der Zeit, als ich noch Geschäftsführer der Goetheanum-Bühne war, einer der schärfster Kritiker war. Immer habe ich mich beschwert und alles Mögliche bemängelt – bis man mich in den Verwaltungsrat der Speisehaus AG holte und später dann anfragte, ob ich die Geschäftsführung des Betriebs übernehmen wollte. Mein Interesse war, das Ganze zu entwickeln und so weit zu kommen, dass die Verpflegung sowohl effizient, aber auch qualitativ hochstehend ist.
Was braucht der Mensch? Nahrung – auf körperlicher wie auf geistiger Ebene. Die Arbeit hier hat mich zum ganz Essentiellen gebracht. Es geht weder um rigide Abgrenzung noch um grenzenlose Verwässerung: Das Bewegen hin zu einer fliessend-pulsierenden Mitte ist der Weg. Man könnte sagen, dass mich meine Laufbahn vom Exklusiven immer mehr ins Inklusive geführt hat.

Wenn Sie Ihr Unternehmen befragen, wie der Bauer seinen Boden, was stellen Sie fest? Ist es im Gleichgewicht? Fehlt ihm etwas?
Wir haben einen guten Level, aber wir müssen ständig daran arbeiten. Wesentlich ist dabei das Stellen der Frage nach einer Kultur des Miteinander: Wie kommen wir als Team in einen Fluss, so dass die Abläufe möglichst hindernisfrei sind und alles sich dem obersten Gebot – der hohen Qualität – unterordnet?
Was uns wirklich fehlt, das sind in manchen Bereichen die einheimischen Produkte. Wir haben da einen absolut hohen Bedarf! So vieles gibt es in der geforderten Qualität nicht aus Schweizer Produktion, auch wenn Klima und Boden dafür bestens geeignet wären. Die Entwicklung von Demeter- und Bioprodukten ist im Ausland weiter gediehen als in der Schweiz, das Importieren ist aber meistens die weniger gute Wahl. Dabei sind die Voraussetzungen für Produzenten sehr gut, die Menschen wollen Bio-Lebensmittel!

Und zum Schluss: Was sind Ihre Wünsche?
Ich wünsche mir menschlichen, sozialen Umgang und auf allen Ebenen verstärkten Zusammenhalt – mit den Kunden und Lieferanten, mit dem Quartier, der Region, dem Ausland, den Zertifizierungsstellen … Das Ziel ist für mich nicht primär, dass es dem Betrieb gut geht, sondern dass die Produkte weiterhin in dieser Welt gebraucht werden. Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam einen vereinfachten Flow schaffen. Dann geht es dem Betrieb automatisch gut.

Wir wünschen Ihrem Betrieb die Erfüllung Ihrer Wünsche und bedanken uns für dieses anregende Gespräch.

 

Adresse Bäckerei Speisehaus
Vital Speisehaus AG
Dorneckstrasse 2, 4143 Dornach/Schweiz
Tel. +41 61 706 85 10, E-Mail | Website