Die Sennerei Bachtel (Foto: Armin Goll)

Die Sennerei Bachtel ist eine Molkerei und Käserei am Dorfrand von Wernetshausen im Zürcher Oberland. Sie verarbeitet die Milch von 10 biologisch-dynamisch geführten Bauernhöfen aus der nahen Umgebung zu hochwertigen Produkten. Das Verarbeiter*innen-Interview haben wir mit Vital Brodbeck geführt, dem heutigen Geschäfts- und Personalverantwortlichen der Sennerei Bachtel. Als Agoge leitet er die Menschen mit Beeinträchtigung im Arbeitsprozess an.

Vital, kannst Du etwas zur Geschichte der Sennerei Bachtel erzählen?

Entstanden ist der Betrieb 1988 durch eine Initiative der Bauern des Triemenhofs, die ihre Milch selber zu verarbeiten begannen. Was klein anfing, wurde immer grösser, bis im Jahre 2002 die Dorfkäserei in Wernetshausen übernommen werden konnte. Mit dem Umzug konnte gleichzeitig auch die Integration von behinderten beeinträchtigten Menschen professionalisiert werden. Unter dem Patronat einer privaten Trägerschaft wurde in der Käserei eine Wohngruppe eröffnet, die bis zu 4 Betreuten nebst Arbeit auch einen betreuten Wohnplatz bietet.

Vital Brodbeck, 2. v. l., mit Team (Foto: Armin Goll)

Der Sennerei machte der wirtschaftliche Druck grosse Sorgen. Zum Glück blieben die mittlerweile 10 Bauernbetriebe der Sennerei treu, obwohl der Milchpreis sank und die Zahlung nicht immer prompt erfolgte … Im Zuge einer Neuorganisation wurden alle Bauern Aktionäre und damit mitverantwortlich. Als einer der milchliefernden Bauern wurden meine Frau Nathalie und ich 2008 angefragt, ob wir die Leitung der Sennerei übernehmen wollten. Wir gaben uns eine Frist von zwei Jahren – und es klappte. Später konnten wir auch die Energieproblematik angehen.

Der Name hat eine wechselhafte Geschichte hinter sich: Nach „Molkerei Triemenhof“, „Molkerei Studer“ und „Damalis AG“ heisst der Betrieb heute „Sennerei Bachtel“. Was aber gleichgeblieben ist, ist die konsequente Haltung, aus der silofreien Rohmilch von Kühen mit Hörnern eine vielseitige Palette von schonend zubereiteten Produkten in Demeter-Qualität herzustellen.

Was ist in eurem Betrieb Demeter?

Wir haben zehn biodynamische Bauernhöfe unter Vertrag, welche uns mit ihrer Rohmilch beliefern. Alles, was wir verarbeiten, wird aus Demeter-Milch gemacht. Ein grosser Teil geht in die Frischprodukte, die jeweils übrigbleibende Milch dürfen wir verkäsen.

Die einzige Ausnahme ist die Butter, für welche wir unpasteurisierten Knospe-Rahm dazukaufen müssen, ganz einfach, weil wir zu wenig eigenen Rahm haben. Um ein Kilogramm Butter herzustellen, braucht es den Rahm von bis zu 25 kg Milch.

Was heisst Demeter für die Verarbeitungsprozesse? Was tut ihr, damit die biodynamische Qualität erhalten bleibt?

Jeder Käse ist ein Rohmilchkäse. Dem Houderebäseler geben Holdunderbeeren seine dunkle Farbe. (Bild: Armin Goll)

In erster Linie würde ich sagen, ist es unsere Haltung dahinter, welche das Ganze im Auge hat, wie das bei einem Demeter-Betrieb gefordert ist. In zweiter Linie ist es sicher bemerkenswert, dass wir aus allem, was sich irgendwie dafür eignet, Rohmilchprodukte herstellen. So die Rohmilch selbst in der Glasflasche, den Rohmilchquark, die Crème fraîche, und selbstverständlich ist auch der Käse ein Demeter-Rohmilchkäse. So bleiben die positiven Eigenschaften der biodynamischen Rohmilch optimal erhalten. Das etwas grössere Risiko bei der Verarbeitung von Rohmilchprodukten fangen wir mit vermehrten Kontrollen ab.

Ein häufiges Kund*innenfeedback ist, dass unsere Produkte auch von Menschen mit Milchunverträglich gut vertragen werden können. Ich schreibe dies der bessern Verdaulichkeit dank Verzicht auf Homogenisierung zu sowie der wiederkäuergerechten Fütterung.

Eine der fast am häufigsten gestellten Fragen auf der Demeter-Geschäftsstelle ist, wo man Demeter-Rohmilch in Glasflaschen beziehen kann. Wo überall sind eure Produkte zu finden?

Ein Publikumsliebling ist die naturbelassene Demeter-Milch in der Glasflasche: „Wenn die Flaschen sauber ausgespült retourniert würden, wäre unser Aufwand damit vertretbar.“

Grundsätzlich in der Grossregion Zürich in den lokalen und Bio-Läden, schweizweit im Biofachhandel und über Onlineshops. Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass wir Tibits, die vegetarisch-vegane Restaurantkette, beliefern.

Ein Anliegen unsererseits zum Thema Glasflaschen: Vielen Dank an alle, die die Glasflaschen sauber ausgespült zur Verkaufsstelle zurückbringen! Würden alle Flaschen sauber retourniert, wäre unser Aufwand vertretbar. Schlecht ausgespülte Flaschen bereiten uns dagegen sehr viel Mühe. Momentan nimmt nicht nur die Menge der im Glas ausgelieferten Milch zu, sondern auch das Problem des zu hohen Arbeitsaufwandes damit.

Was überzeugt dich persönlich an Demeter?

Die biodynamische Landwirtschaft, all das, was im Landwirtschaftlichen Kurs von Steiner angelegt wurde, zum Beispiel die Hofindividualität mit ihren vielseitigen Blickwinkeln vom Boden bis zur sozialen Verantwortung und der Aufgabe des Menschen, dies alles mit Bewusstsein zu durchdringen. Natürlich muss ein gesunder biodynamischer Hof auf einer vernünftigen Landwirtschaft aufbauen, die punkto Technologie und Ordnung am Ball bleibt – Demeter hat nichts mit Rückständigkeit zu tun.

Allgemein können wir stolz darauf sein, dass sich das Label Demeter trotz der starken Knospe behaupten konnte und dass es mit Abstand das grösste Vertrauen der Konsument*innen geniesst.

Was ist problematisch, könnte aus deiner Sicht verbessert werden?

Bild: Armin Goll

Persönlich bin ich der Meinung, dass man sich mit grösster Aufmerksamkeit dafür engagieren muss, dass durch die Zunahme der Masse die Demeter-Qualität nicht verwässert wird. Ich frage mich, ob das gelingen wird, finde es aber zugleich faszinierend zu beobachten, wie die Entwicklung jetzt läuft. Für die Sennerei Bachtel ist sie entgegen meiner damaligen Befürchtungen positiv: Der Fachhandel schätzt unsere Produkte sehr.

Wird das wachsende Bewusstsein im Bezug Ernährung und Nahrungsmittelqualität für euren Betrieb spürbar? Wie?

Ja, auf zweierlei Art und Weise. Weniger behagt mir die Motivation aus egoistischen Gründen. Dagegen freut mich die Zunahme des Interesses an einer ganzheitlichen Landwirtschaft und Verarbeitung sehr. Bei Betriebsführungen können wir das Bewusstsein der Besucher*innen schärfen. Es geht uns nicht nur darum, gute und gesunde Produkte auf den Markt zu bringen, sondern vor allem auch darum, dass es den Tieren, die uns die Milch geben, gut bzw. immer besser geht.

Die Aussage der Tibits-Verantwortlichen, die am liebsten ausschliesslich vegane Speisen anbieten möchten, ist verpflichtend: „Wenn schon tierisch, dann Demeter, weil die die beste Tierhaltung haben.“

Was antwortest du den Konsument*innen, wenn sie eure Produkte zu teuer finden?

Natürlich höre ich das immer wieder. Wenn einer sagt, er könne sich leider Bachtel-Produkte nicht leisten, entgegne ich: „Wenn heute ein Produkt doppelt so teuer ist wie in der Migros, dann ist es einfach gleich teuer wie vor zwanzig Jahren. Damals gaben wir doppelt soviel vom Haushaltsgeld für Essen aus, heute sind es nicht einmal 6 %.“ Wenn ein Kilo Bachtel-Käse 30 Franken kostet, ein Import-Edamer dagegen 12.–, dann brauchen wir nur über die paar wenigen Cents zu reden, die ein holländischer Bauer für seine Milch bekommt, und den Preis dagegenzuhalten, den ein Demeterbauer hier in der Schweiz erhält. Dann verstehen plötzlich viele, worum es geht.

Andere meinen, unsere Preise seien zu günstig. Wir wollen allen Beteiligten faire Löhne bezahlen – so gesehen sind unsere Preise wirklich zu tief. Aber die Branche ist stark unter Druck, und wir wollen keinesfalls elitär sein. Der Preis soll für alle stimmen.

Welches Interesse steht dahinter, diesen besonderen Verarbeitungsbetrieb zu führen?

Als wir uns damals entschieden, den Hof in Bäretswil zu verlassen und nach Wernetshausen zu kommen, hat uns die Sehnsucht nach kleineren Strukturen und geregelteren Arbeitszeiten geleitet. Es wurden dann mehr Arbeitsstunden … Aber die Kleinstruktur mit kurzen und nachvollziehbaren Entscheidungswegen sagt mir sehr zu. Zwar war die Geschäftswelt zu Beginn eine Herausforderung für mich, aber das Solidarische in der Sennerei gefällt mir. Das Gemeinschaftliche unter den Bäuerinnen und Bauern, die tollen Kundenkontakte und die Vielseitigkeit der Arbeiten für unsere betreuten Menschen finde ich begeisternd. Daran, dass unter den Verarbeitungsbetrieben scharfe Konkurrenz herrscht, muss ich mich erst gewöhnen. Für mich selbstverständlich wäre gegenseitige Unterstützung.

Ist das Unternehmen im Gleichgewicht? Fehlt ihm etwas?

Als wir die Sennerei übernahmen, stand sie kurz vor dem Konkurs. Nach zwei Jahren sahen wir, dass unser Einsatz wirtschaftlich fruchtete, aber die Ökologie war nicht im Gleichgewicht. Bis 2012 wurden jährlich ca. 22 000 l Heizöl verbraucht! So konnte im Jahre 2012 eine 29 KW-Photovoltaikanlage in Betrieb genommen werden, seit Mai 2017 sorgt eine Holzschnitzelfeuerung dafür, dass wir kein Öl mehr verbrennen müssen, und eine zweite Photovoltaikanlage liefert weitere notwendige Energie. Dies alles konnte aus dem Betrieb finanziert werden. Wir sind jetzt wirtschaftlich und ökologisch gut aufgestellt. Dies verdanken wir unserer treuen Kundschaft und der hohen Qualität unserer Produkte, die heute absolut stimmt. Wir haben uns über viele Jahre hinweg verbessert und können von unserem guten Ruf profitieren. Mit der Milch in der Glasflasche liegen wir voll im gegenwärtigen Trend.

Momentan geht bei uns wegen hoher Nachfrage jedoch zu viel Rohmilch in die Frischproduktverarbeitung, wo wir doch eigentlich eingerichtet sind zum Käsen. Gut wäre, wenn in einer anderen Region ein weiterer Demeter-Verarbeitungsbetrieb Rohmilch und daraus hergestellte Produkte anbieten würde.

Zum Schluss hast du einen Wunsch für euren Betrieb frei.

Wir würden uns sehr freuen über einen weiteren Demeter-Bauernbetrieb, der uns Milch liefert. Und, wie eben erwähnt, über weitere Molkereien in anderen Ecken der Schweiz.

Vielen Dank, Vital Brodbeck, für dieses spannende Gespräch.

Website Sennerei Bachtel