Nicolas Barth, Demeter-Landwirt aus dem Jura, plädiert in seinem offenen Brief für eine neue Bewegung, deren Herz für handwerkliche, nicht-industrielle Produkte schlägt.
An der Hauptversammlung des Vereins für biologisch-dynamische Landwirtschaft meldete sich Nicolas Barth mit einem engagierten Votum zu Wort. Das Vereinsmitglied ermahnte seine Kolleg*innen, bei der Weiterentwicklung der Demeter-Bewegung die wahren Werte der Bewegung nicht aus den Augen zu verlieren. Der Landwirt fragt: «Was ist das Ziel unserer Bewegung, wofür sind wir als Demeter-Landwirt*innen unterwegs?»
Er lanciert eine neue Bewegung, welche die Wertschätzung für handwerkliche, nicht-industrielle Produkte in den Fokus rückt. Für den 4. August lädt er Gleichgesinnte auf seinen Hof ein.
Seine Gedanken und Anregungen hat Nicolas Barth in einem offenen Brief formuliert:
Liebe Kolleg*innen
Nach unserem 100-Jahre-Jubiläum stellt sich die Frage, was wir die nächsten 100 Jahre machen. Bleiben wir Demeter-Landwirt*innen weiterhin die Hefe im grossen Teig der Gesellschaft, die freche unabhängige Bakterienkultur, die bestehende Denkmuster mit unserer Triebkraft in Frage stellt? Oder schlafen wir an unserem Erfolg ein und wollen uns nur noch verbreitern und Marktanteile vergrössern und gemütlich werden?
Um was geht es eigentlich? Was ist das Ziel unserer Bewegung? Bleiben wir dran an unserer eigenen Weiterentwicklung?
Es ist die Idee aufgetaucht, dass nach dem Erfolg des Biologischen jetzt das Handwerk dran sei, wieder zu Ehren gebracht zu werden. Wie beim Bio soll sich jetzt eine Gruppe von Idealisten zusammenfinden, die konsequent möglichst nur noch handwerkliche, nicht-industrielle Produkte kaufen. Das Brot bei der Bäckerin, die Kartoffeln beim Bauern, das Gemüse beim Gärtner, den Teller bei der Töpferin und die Hose selbstgenäht.
Zu 100 Prozent geht das natürlich nicht mehr, die Industrialisierung ist bereits zu weit fortgeschritten. Es geht schon mal um die Richtung, die jeder freiwillig zu machen bereit ist. Und, eine kleine Gruppe von verschworenen Idealisten kann grösser werden, wachsen und am Ende zu einer Bewegung werden.
In jedem handwerklichen, nicht-industriellen Objekt steckt die Zuwendung, die Achtsamkeit und die Sorgfalt der Handwerkerin, des Handwerkers. Diese Energie steckt im Objekt, diese Energie wird das Objekt während seiner ganzen Nutzungsdauer ausstrahlen. Handwerkliche Objekte strahlen Wärme, Zuneigung und Liebe aus, industrielle hingegen eher Kälte, Anonymität, Ängstlichkeit oder Unsicherheit.
Euch, die Ihr alle Demeter-Landwirt*innen seid, braucht man so etwas nicht zu erzählen. Das Fühlen, das aktive Hineinfühlen ist für viele von uns eines der wichtigsten Werkzeuge geworden, um mit unserer Realität klarzukommen. Die Natur hat uns alle gelehrt, weniger unserem gedachten Wissen, sondern mehr unserem intuitiven Fühlen zuzuhören. Wer fühlen kann, hat eine zusätzliche Realität gewonnen. Eine Demeter-Suppe in einem Teller der befreundeten Töpferin schmeckt anders als die gleiche Suppe in einem Industrieteller, das ist ja schon mal klar.
Um das Fühlen kommen wir nicht mehr herum. Es ist Zeit der emotionalen Wahrnehmung einen Platz und eine ökonomische Realität zu geben: Ein Produkt mit einem guten Gefühl ist etwas anderes als das gleiche Produkt mit einem schlechten Gefühl. Ein handwerkliches Produkt fühlt sich immer besser an als ein entsprechendes industrielles. Da ist etwas fast schon Magisches. Das hat direkt und massiv eine Einwirkung auf unser Leben.
Jetzt brauchen wir die kleine Gruppe von mutigen Pionier*innen, die eine solche Idee offen vertreten und selber praktizieren. Wer unter Euch hätte Lust bei so was mitzumachen? Wenn möglich, nur noch handwerkliche, nicht-industrielle Produkte zu kaufen? Wer unter Euch ist mit dabei? Wer fühlt auch so? Wer träumt in die gleiche Richtung? Schliesslich sind wir Demeter-Bauern und -Bäuerinnen alle selbst auch Handwerker. Ist das nicht eine gute Idee, wenn wir uns jetzt mit allen Handwerkern der Welt verbünden, um daraus unsere wirtschaftliche Identität zu machen?
Damit diese Idee gut kommuniziert werden kann, wurde vorgeschlagen, alle handwerklichen Produkte mit einem Herz zu signieren. Alle Handwerksprodukte wären damit die Herzprodukte, die Menschen, die es kaufen, die Herzmenschen und das Ganze die Herzbewegung. Die Verknüpfung der handwerklichen, nicht-industriellen Produktion mit dem Herzen ist genial, weil es genau darum geht: das Fühlen zu lernen.
Wir vom biodynamischen Bauernhof Masesselin wollen den Stein ins Rollen bringen und laden alle Gleichgesinnten unter Euch ein am 4. August zu einer gemeinsamen «Grundsteinlegung» dieser neuen Handwerkerbewegung in den Jura zu kommen. Bekanntlich fängt auch die Reise zum Mond mit einem ersten Schritt an. Das Ziel ist, dass aus unserer Industriegesellschaft von Menschen ohne Herz wieder eine Handwerker-Gesellschaft von Menschen mit Herz wird.
Hat jemand eine Idee wie wir diese Zauberzeremonie praktisch umsetzen könnten, damit alles andere dann so wie von selbst läuft, bzw. wie von selbst wächst wie der Weizen auf dem Feld? Grosse Zeremonienmeister*innen bitte bei Nicolas Barth melden!