Schaffhauser Bauer; Sanna Bührer Winiger
Demeter, die Organisation für biodynamische Landwirtschaft, vermarktet Fleisch von Junghähnen, deren Schwestern als Legehennen genutzt werden. Mit federführend bei der Entwicklung des Projekts «Hahn im Glück» waren Herman und Regina Lutke Schipholt vom Randenhof in Siblingen, zusammen mit Anno und Margrit vom Siblinger Hof am Stei. Herman Lutke Schipholt zieht Bilanz.
Februar 2017 | Schaffhauser Bauer; Sanna Bührer Winiger
Sanna Bührer Winiger: Herman Lutke Schipholt, Zweinutzungshühner sind schon seit Jahren im Gespräch, um die Tötung «überflüssiger» männlicher Küken von Legehennenrassen zu vermeiden. Denn diese eignen sich nicht zur Mast. Doch durchsetzen konnte sich der Einsatz von Zweinutzungshühnern aus wirtschaftlichen Gründen nicht. Sie und Ihre Familie haben mit der schweizerischen Demeter-Bewegung das Projekt «Hahn im Glück» aufgezogen. In der zweiten Jahreshälfte 2016 wurde es im Verkauf lanciert. Was war die Basis dieses Projekts?
Herman Lutke Schipholt, Landwirt Randenhof, Siblingen, und Mitglied im Vorstand von Demeter Schweiz: Zweinutzungshühner, wie man sie früher kannte, gibt es heute eigentlich nicht mehr. Die Züchtungen setzten lange Zeit entweder aufs Eierlegen oder auf die Mast. Nun gilt es, wieder Hühner zu züchten, die bei der Mast Fleisch ansetzen, deren Hennen aber auch genügend und genügend grosse Eier legen. Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL in Frick hat vor acht Jahren Rassenversuche mit Zweinutzungshühnern durchgeführt. Dabei haben die Sussex-Hühner sehr gut abgeschnitten. Wir haben damals die Hühner übernommen. Seitdem mästen wir einmal pro Jahr. Wir haben aber auch den Versuch unternommen, die Legehennen durch die Mauser zu bringen und sie danach weiterlegen zu lassen.
Sie haben damit weniger oft Hühnernachwuchs gebraucht?
Genau. Wenn man die Legehennen länger behält, braucht man auch weniger Nachfolgerinnen. Es müssen weniger Eier bebrütet werden, und damit gibt es weniger männliche Küken, die überzählig sind. Doch die Eier wurden rasch sehr gross, fast zu gross für die Konsumenten. Die Junghahnmast war die Erfolg versprechendere Alternative.
Über Vertriebskanäle Dritter verkaufen Sie aber erst seit letztem Jahr.
Im grösseren Stil in die Junghahnmast eingestiegen sind wir letzten Juli. Vorher haben wir die Junghähne privat vermarktet und parallel dazu mit Demeter Schweiz das Bruderhahn-Projekt «Hahn im Glück» vorbereitet. Vor allem meine Frau Regina hat sich dabei stark engagiert. Momentan machen drei Eierproduzenten bei «Hahn im Glück» mit, einer im Kanton Baselland, einer im Aargau und unsere Familie. Und drei weitere Betriebe kommen diesen Sommer dazu. Das Projekt mit seinen Anbietern ist auch auf www.demeter.ch aufgeschaltet. Unser Randenhof übernimmt von den zwei anderen Betrieben die männlichen Küken, und wir ziehen sie mit unseren eigenen Junghähnen für die «Güggelimast» gross. Die Teilnahme am Projekt «Hahn im Glück» ist freiwillig. Doch es ist unser Ziel, im Demeter-Reglement generell zu verankern, dass für jede Demeter-Legehenne ein männliches Küken nach den Demeter-Richtlinien grossgezogen wird.
Wie sieht die Haltung der Tiere aus?
Unsere Hühner laufen in der Fruchtfolge mit. Das heisst, sie beweiden Kleegraswiesen im Turnus. Daneben erhalten sie Zusatzfutter. Für die Legehennen haben wir zwei mobile Ställe à je 250 Tiere. Diese befinden sich auf dem Hof am Stei, den mein Sohn Anno und seine Frau Margrit ebenfalls in Siblingen bewirtschaften. Im nächsten Mai wird dort ein weiterer, grösserer mobiler Stall dazukommen. Dieser ist als «Kombistall» nutzbar. Ziel ist es, mit männlichen und weiblichen Küken gemeinsam zu starten, umdann die männlichen Tiere in zwei Etappen zu schlachten, während die Hennen zu legen anfangen. Das wollen wir testen, denn für uns wäre das die perfekte Situation.
Auf dem Randenhof (www.randenhof.ch) stehen zwei Mobilställe, in denen je 300 Jungmasthähne gehalten werden können. Die mobilen Ställe haben alle einen Wintergarten. Das ist gerade auch bei Stallpflicht-Massnahmen wegen der Vogelgrippe wichtig. Die Hühner können so trotzdem an die frische Luft.
Wie wird das «Hahn im Glück»-Fleisch vermarktet?
Das Fleisch geht den gleichen Weg wie unsere Eier. Diese vermarkten wir über unsere Höfe, verschiedene Läden im Schaffhausischen und auch ausserhalb der Region. Wo unsere Eier verkauft werden, wird auch das Fleisch der Bruderhähne angeboten. Die Eier werden zu einem höheren Preis als andere Demeter-Eier verkauft. Von diesem Zuschlag geht ein Teil an den Mäster der «Güggeli» und ein Teil in einen Fonds, der die Züchtung effizienter Zweinutzungshühner fördert.
Es findet damit sozusagen eine Quersubventionierung statt?
Die jetzigen Zweinutzungshühner sind immer noch auf eine stärkere Lege- als Mastleistung ausgelegt. Das wird mit diesem Zuschlag ausgeglichen und ist vertraglich über Demeter geregelt.
Die Zucht ist damit ein grosses Thema?
Ja. Und es geht nicht nur um die Mast- oder Legeleistung. Die Fütterung ist auch im Fokus. Die Tiere sollen möglichst regional ernährt werden können. Das ist ebenfalls in den Richtlinien geregelt. Getestet werden unter anderem Nebenprodukte der Landwirtschaft wie etwa Abgangkartoffeln. Die Tierhaltung soll der Ernährung der Menschen möglichst wenig Konkurrenz machen.
Wie ist es um die Fleischqualität bestellt?
Die Mast der Bruderhähne dauert länger als die Mast konventioneller Poulets, und sie erhalten anderes Futter. Das ist im Geschmack des Fleischs spürbar. Es wird als aromatisch beschrieben. Da sich die Tiere auf der Weide viel bewegen, ist das Fleisch fester in der Konsistenz.
Die Ethik ist das eine, doch auch die Wirtschaftlichkeit zählt. Welche Erfahrungen haben Sie mit der Bruderhahnmast bis jetzt gemacht?
Der Markt ist ganz klar da. Das Fleisch verkauft sich sehr gut, dies, obwohl die Preise je nach Vergleichsprodukt zwei- bis dreimal höher liegen. Viele Konsumenten sind bereit, diesen Aufpreis zu leisten. In meinem Ursprungsland Holland hat diesbezüglich bereits ein grosses Umdenken stattgefunden, und die Bruderhahnmast ist weit ver- breitet. «Klasse statt Masse» ist die Devise.
An der Bio-Legehennentagung am FiBL wurde auch auf die Früherkennung des Geschlechts im Ei eingegangen. Eier mit männlichen Embryonen würden dann anderweitig verwendet, und es müssten keine Küken mehr getötet werden. Wäre auch das für Sie ein gangbarer Weg?
Für Demeter ist die Früherkennung kein Weg, weil das Leben im Ei dann bereits angefangen hat. Die Eier müssen bei der Nahinfrarot-Raman-Spektroskopie zudem aufgemacht werden, um einen Scan durchzuführen. Dann werden sie künstlich versiegelt. Wir wissen zu wenig, welchen Einfluss das auf die Entwicklung der Tiere hat, die nachher für uns Eier legen. Für Demeter kommt nur die Bruderhahnmast infrage. Eine optimale Situation haben wir mit den heutigen Hühnern noch nicht, aber wir arbeiten intensiv daran.