Im ehemaligen Kapuzinerkloster an der Mürg in Stans im Kanton Nidwalden wird das «Culinarium Alpinum», ein Kompetenzzentrum für die Kulinarik des Alpenraums, eröffnet. Schulung und Beratung zu allen Themen der Vielfalt an Nutzpflanzen, Produkten und Rezepten des Alpenraums stehen dabei im Mittelpunkt. Demeter ist einer der Partner.
Die Küche unserer alpinen Kulinarik
Robert Bösiger | Echt, Juni 2020
Unser Land hat weltweit eine der globalisiertesten Küchen.» Sagt der Ökonom und Autor Dominik Flammer (54), den wir in Stans bei den Arbeiten zum Umbau des ehemaligen Kapuzinerklosters zum Culinarium Alpinum zu einem Gespräch treffen. In unserem kleinen Land, mitten in Europa gelegen, finde man seit Jahrhunderten Einflüsse der deutschen, französischen und italienischen Küche; hinzu kommen heute asiatische und andere Einflüsse. Flammer gefällt diese «Allerweltsküche» zwar. Aber er ist je länger, je mehr davon überzeugt, dass wir im Alpenraum selber über eine eigene «unglaubliche Diversität haben an Produkten, Rezepten, Gerichten und Techniken». Diese Vielfalt müsse man bloss wieder neu entdecken, meint er.
Starke Partner, grosse Vielfalt
Dies und das Weiterentwickeln und Weitergeben dieses Wissens – das ist letztlich die Essenz dessen, was das Culinarium Alpinum schaffen und anbieten soll. Es wird diesen Spätsommer eröffnet. Flammer, der Initiant, hat eine ganze Reihe von wertvollen Mitstreitern ins Boot geholt, um das altehrwürdige Kloster mit Baujahr 1584 zu einem führenden Kompetenzzentrum für Regionalkulinarik des Alpenraums zu machen.
Am gleichen Strick ziehen unter anderem die Verbände HotellerieSuisse, Gastrosuisse und Demeter, ausserdem ProSpecieRara, BioSuisse und BioRegio Zentralschweiz, Slow Food sowie das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL). Ebenfalls mit dabei ist das Richemont-Kompetenzzentrum der Branche Bäckerei, Konditorei und Confiserie. Dominik Flammer ist begeistert: «Wir haben in der Schweiz ein schier unglaubliches Know-how in Form von erstklassigen Hotelfachschulen, Kochausbildungen und Fachschulen.»
Haupttreiberin des ambitionierten Projekts ist die Stiftung Kulinarisches Erbe der Alpen (Keda). An der Finanzierung ebenfalls beteiligt sind weitere Stiftungen sowie Bund und Kanton. Am Tag unseres Besuchs in Stans treffen wir beim Rundgang zufällig auf den Nidwaldner Regierungspräsidenten Othmar Filliger und den zuständigen Landwirtschafts- und Umweltdirektor Joe Christen. «Die Behörden sind neugierig und sind stolz auf das, was hier entsteht», kommentiert Dominik Flammer. Und ergänzt: «Alle freuen sich auf die Eröffnung des Culinarium Alpinum – auch die Tourismus-Verantwortlichen.»
Das kulinarische Erbe der Alpen erhält mit dem Culinarium Alpinum eine Heimat im ehemaligen Kloster. Hier treffen sich künftig Kochkünstler, Sommeliers, Bauern, Käseprofis, Metzger und Bäcker, tauschen sich aus, lernen voneinander. Zum Angebot gehören 14 stilvoll, aber einfach eingerichtete Gästezimmer, alle mit Blick auf den grossen Klostergarten. Dazu gibt es nebst einer Tagungsinfrastruktur und Schulungsräumen auch prächtige Klostersäle, die sich für Feste, Feiern und Konzerte eignen. Das prächtige Kellergewölbe wird zur Heimat für den Alpsbrinz.
Derzeit noch im Entstehen ist im Klostergarten die sogenannte «Essbare Landschaft». Dereinst sollen hier rund 500 Obst- und Beerensorten gedeihen. Dieser Garten soll zu Schulungszwecken genutzt werden, aber auch für die Besucher als «Naschgarten» fungieren.
Breites Programm an Aktivitäten
Auch in der Gaststube des Culinarium Alpinum, dem Refektorium, steht die regionale Glaubwürdigkeit im Vordergrund. Peter Durrer (50), Betreiber der Gastronomie und der Klosterherberge, wird vorwiegend mit authentischen und unverfälschten regionalen Produkten aus der Innerschweiz arbeiten, vorzugsweise mit Produkten aus dem biologischen Anbau, erweitert mit Produkten aus dem kulinarischen Alpenraum, wie er durch das kulinarische Erbe der Alpen definiert wird. Durrer war zuvor unter anderem Direktor im Palace Luzern und führte die Villa Honegg in Ennetbürgen. Von den gesamthaft rund 30 festangestellten Mitarbeitenden werden sieben oder acht Personen in der Küche tätig sein.
Was alles im Culinarium abläuft, wird sich bald schon weisen. Dominik Flammer skizziert ein mögliches Tagesprogramm: Ein Tag könne etwa damit beginnen, dass im Garten ein Kurs fürs Birnbaum-Spalieren mit ProSpecieRara stattfindet, bei dem mit Obstbauern Spaliertechniken einstudiert werden. Über Mittag könnte ein Abdankungsessen im Anschluss an eine Beerdigung im benachbarten Friedhof stattfinden. Am Nachmittag wäre ein Bio-Familienkurs von Gastrosuisse denkbar. «Und am Tag darauf tagt vielleicht der Landrat des Kantons Nidwalden und begeht ein Jubiläum mit 80 Gästen im Klostersaal. Im Obst- und Beerengarten finden gleichzeitig zwei Schulführungen zum Themenschwerpunkt Beeren statt und am Abend läuft eine Alpsbrinz-Degustation im Gewölbekeller.»
Konsumenten sensibilisieren
Dominik Flammer selber, derzeit noch Delegierter des Stiftungsrates, sieht seine zukünftige Rolle als Kurator. «Meine Aufgabe ist es, alle Kaderleute und Mieter zu betreuen. Und wenn jemand zum Beispiel das Gefühl hat, er müsse FengShui-Kurse anbieten, dann habe ich ein Vetorecht.» Er werde einerseits als Berater, anderseits als Dozent hier sein und das Culinarium Alpinum mit Leuten und Institutionen aus dem ganzen Alpenraum vernetzen. Wichtig sind Flammer auch das Weiterentwickeln und die Weitergabe des vorhandenen Wissens. So gesehen soll das Culinarium Alpinum nicht nur zur regionalen Wertschöpfung und zur nachhaltigen Entwicklung im Alpenraum beitragen, sondern die Konsumenten, Produzenten und Händler sensibilisieren.
Das schon bestehende Kursangebot gibt einen Hinweis darauf, was Flammer damit meint. So sind etwa die Kurse «Zigerklee und Magenträs – aus dem alpinen Gewürzschrank», «Alpsbrinz, Mühlistein und Fladen» oder «Mispelbrand und Kornelkirsch» ausgeschrieben.
Wir sind gespannt. Und Dominik Flammer, der Umtriebige, muss schon wieder weiter – zu einer Degustation von Erdbeersorten.