Seit Anfang Jahr engagieren sich einige Bäuerinnen und Bauern, Demeter und das FiBL in einem kleinen, aber feinen Zuchtprojekt mit dem Titel «Unser Hausschwein». Bereits sind die ersten Ferkel im Freiland zur Welt gekommen. Doch bis die Hausschweine wieder unsere sind, ist es noch ein weiter Weg.

Ein frisch geborener Wurf kunterbunter Ferkel von Mama Distelschwein und Papa Duroc.

Im Zuge der Rationalisierung und Gewinnoptimierung in der Landwirtschaft wurden in den letzten Jahrzehnten in der Schweinezucht grosse Erfolge in Richtung verbesserter Mast- und Zuchtleistungen erzielt; die Ferkelzahl pro Wurf steigt stetig an, der Muskelfleischanteil ebenso, dafür schwindet der Rückenspeck. Die konventionellen Rassen bringen bezüglich Leistungen zwar einige Vorteile, die aber auf Bio- und Demeter-Betrieben zu Problemen führen können, da diese Tiere einen hohen Input an Futter und den hohen Leistungen angepasste Haltungsbedingungen verlangen. Punkto Diversität zeigt sich in der Schweinehaltung ein ähnliches Bild wie in der übrigen Nutztierhaltung: Wenige Rassen halten den grössten Marktanteil und extensivere Rassen werden oft nur noch in der Hobbyhaltung eingesetzt oder verschwinden gänzlich.

Ein Demeter-Schwein sollte man sein …

Dieser Tendenz möchte das Projekt «Unser Hausschwein» die Stirn bieten und hat sich zum Ziel gesetzt, eine neue Schweinerasse zu züchten. So soll in den kommenden Jahren ein genügsames, robustes und gesundes Hausschwein gezüchtet werden, das sich wesensgemäss halten lässt.

Die Zucht ist ausgerichtet auf eine natürliche Haltung. Grosser Wert wird auf ein gesundes Fundament gelegt. Die Tiere sollen während der Vegetationszeit im Freiland gehalten werden, mit den klimatischen Bedingungen der Schweiz gut zurechtkommen und eine moderate Reproduktionsleistung von maximal zehn Ferkeln pro Wurf haben. Sie sollen möglichst mit betriebseigenem Futter oder Nebenprodukten der Lebensmittelproduktion und -verarbeitung gefüttert werden. «Das Schwein ist ein Restenverwerter, und heutzutage wird viel über Food Waste diskutiert. Wir möchten daher eine sozial- und umweltverträgliche Sau züchten», sagt Cäsar Bürgi, Bauer und Mitglied des Projektteams.

„Schwitzen wie eine Schwein“ heisst in Wirklichkeit Schlammbaden – das reguliert die Körpertemperatur und gehört ausserdem zu Schweins Hygiene.

Das Projekt wurde auf die Initiative einiger Bauern gestartet, die mit dem gegenwärtigen Angebot an Schweinerassen in der Schweiz nicht in ihrem Sinne wirtschaften können und daher auf der Suche nach Alternativen sind. Gezüchtet wird im Projekt mit fünf verschiedenen Rassen. Die Zuchttiere werden nach von der Projektgruppe definierten Zuchtzielen ausgewählt. Auf jegliche Hilfsmittel wie künstliche Befruchtung oder synchronisierte Rausche (Brunst) wird verzichtet.

Am Projekt beteiligen sich zurzeit zwei Betriebe: der Demeter-Betrieb Silberdistel von Lena und Cäsar Bürgi in Holderbank SO und der Knospe-Betrieb von Yannick Steffen in Reigoldswil BL. Einige weitere Betriebe überlegen sich eine Zusammenarbeit oder bereiten sich schon aufs Einsteigen vor. Seit September sind zwei Würfe zur Welt gekommen, einer aus der Anpaarung einer Vaterlinie Edelschwein-Sau mit einem Turopolje-Eber und ein zweiter aus einer Kreuzung zwischen einem Duroc-Eber mit einer Buntes-Distelschwein-Sau, der «Hofrasse» von Cäsar Bürgi. Einige der Kreuzungstiere werden nach dem Absetzen für die Weiterzucht ausgewählt, die übrigen werden gemästet und vermarktet. Um dem komplexen Sozialleben der Tiere gerechter zu werden und die positiven Eigenschaften der Muttermilch möglichst ganzheitlich zu nutzen, besteht im Projekt eine verlängerte Säugezeit von mindestens acht Wochen.

Ihren Schlafplatz mögen Schweine dagegen sauber und trocken.

Yannick Steffen zieht bereits für die ersten Würfe eine positive Bilanz: «Mehr Robustheit und Vitalität ermöglichen eine unkompliziertere und kostengünstigere Schweinehaltung. Medizinische Behandlungen werden auf ein Minimum reduziert. Zusammen mit der Freilandhaltung und einer nachhaltigen Fütterung werden Umweltschutz, Tierwohl und Wirtschaftlichkeit vereint. Der Traum eines jeden Biobauern!»

Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt vom FiBL, welches einige Daten zu den Schweinen aufzeichnet, den Anpaarungsplan entwirft und den Zuchtverlauf dokumentiert. Im Vordergrund stehen aber die Betriebe, welche die Rasse auch nach Beendigung des Projekts etablieren und weiterentwickeln.

Die Ansprüche der Metzger sowie der Konsumentinnen und Konsumenten an Schweinefleisch haben sich in den vergangenen Jahrzehnten stark in Richtung einer mageren, muskelbetonten Sau entwickelt. Die Qualitätskriterien sind in der Fleischverarbeitung vielzählig und das Verwerten weniger edler Stücke ist in Vergessenheit geraten. Das Projektteam hat es sich zum Ziel gesetzt, unser Hausschwein mit allerlei guten Eigenschaften auszustatten ‒ tiefe PUFA*-Werte und eine dünne Rückenspeckauflage sind im Gegenzug eher verzichtbar. Die Fleischqualität ist für den Erfolg des Projektes zentral, doch sind die Qualitätsansprüche an das Schwein nicht jene, die vom aktuellen Markt diktiert werden, sondern jene, die sich erreichen lassen, ohne Kompromisse bei der Haltung zu machen. In diesem Sinne wird es eine Zusammenarbeit mit Metzgerinnen und Metzgern geben, die sich gerne mit der Fleischverarbeitung des neuen Hausschweins auseinandersetzen. Die Konsumentinnen und Konsumenten sollen primär von der Fleischqualität überzeugt sein. Durch einen hohen Grad an Direktvermarktung und regionalem Verkauf kann die interessierte Kundschaft für die Ziele des Projekts sensibilisiert werden. Insofern träumt «Unser Hausschwein» nicht von grossen Marktanteilen, sondern lediglich von zufriedenen und überzeugten Kundinnen und Kunden.

Das Bunte Distelschwein geniesst die Frühlingssonne.

Um aus vielen Rassen eine zu machen und diese in Reinzucht vermehren zu können, braucht es Zeit und Engagement. Das Projektteam rechnet mit zehn Jahren, bis sich die erwünschten Eigenschaften zuverlässig zeigen.

Für die Anpaarungen der verschiedenen Rassen werden noch weitere Betriebe gesucht, die sich gerne am Zuchtprojekt beteiligen und die Rasse mitgestalten möchten.Haben Sie Interesse, Fragen oder Hinweise? Wenden Sie sich bitte an Anna Jenni, Tel. 079 637 16 57, E-Mail 

* Beurteilung der Fettqualität über den Gehalt der ungesättigten Fettsäuren

Text: Anna Jenni
Bilder: Yannick Steffen