BauernZeitung | 22. April 2022 | Benildis Bentolila

Direktvermarktung / Langeneggers Hofladen bietet Demeterqualität und ein Vollsortiment.

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Es ist heute noch so: Wenn Schweizer von ausserhalb an die Halbkantone Appenzell denken, stellen sie sich Idylle pur vor. Dort in der rechten oberen Ecke der Schweiz leben laut Klischee nur Bauernfamilien, gekleidet in prächtige Trachten, die gehörntes Original Braunvieh halten. Die Bevölkerung versorgt sich selbst. Trotz der vielen und mühsamen Arbeit auf den Hügeln jauchzen und jodeln Bauern und Bäuerinnen stundenlang und sind zufrieden. Wenn sie ihre Geschichten erzählen, verstehen wir «Restlichen» zwar nicht alles, aber wir lachen, weil wir um den Witz des besonderen Volkes wissen. Appenzeller leben in urchigen, hellen Häusern, durch die Auswärtige wegen der niedrigen Decken gebückt gehen. Nicht nur räumlich sind sie etwas abgeschieden vom Rest des Landes.

Wocheneinkauf für Familien

Die BauernZeitung begab sich an einem Samstag Anfang April, als es frisch bis auf 400 Meter hinunter geschneit hatte, nach Gais AR in der Mitte des Appenzellerlands. Das Dorf feiert dieses Jahr seinen 750. Geburtstag. Rund 3000 Einwohner leben dort mitten in sanften Hügeln mit Blick auf den Alpstein. Bei Kälte und Schneetreiben war es in der Appenzeller Bahn, die an gepflegten Häuserzeilen vorbeifuhr, behaglich. Beim Eintreffen auf dem Demeter-Hof Bommes fallen mehrere Velos mit Kinderanhängern auf. «Heute machen viele junge Familien bei uns ihren Wocheneinkauf», erklärt Bäuerin Dina Langenegger, «schliesslich kann man bei uns fast alles haben». Im Internet wird der Hofladen angepriesen als das «Reformhaus auf dem Bauernhof». Eine bescheidene Darstellung, denn beim Eintritt in den mehrräumigen, verwinkelten Hofladen ist sofort klar: Da steckt mehr dahinter.

Abenteuer Hofladen

Im Sortiment sind Milchprodukte aus eigener Produktion, Fleisch vom Hof, eigenes Gemüse und von befreundeten Produzenten, Brot und Backwaren, Eier, Weine, Öle, Kosmetikprodukte. Alles wunderbar und passend in sauberen Gestellen aufgereiht. Die Herkunft bei jedem Produkt ist klar ersichtlich. Wenn man vor den bunten Gestellen steht, fragt man sich, wie viele Stunden fürs Einräumen aufgewendet werden. Wer vom «Einkaufserlebnis» in einer Weltstadt träumt, hat Langeneggers Hofladen nie gesehen, denn dieser ist ein echtes Abenteuer! Wenn man glaubt, jetzt habe man alles gesehen, entdeckt man noch eine Wand, wo dutzende Gemüsesamen-Päckli hängen. Die verwinkelten Räume bringen es mit sich, dass die Kundschaft einerseits für sich allein ist, andererseits sich gut austauschen kann mit anderen Einkaufenden. Und über allem ertönt immer wieder Dina Langeneggers helles, frohes Lachen.

Das Familienleben

Walter Langeneggers Eltern, Werner und Lilly – sie ist die bekannte Appenzeller Bauernmalerin –, produzierten ab 1975 Bio, seit 1980 Demeter. Dina und Walter Langenegger lernten sich beim Trachtentanzen kennen, heirateten 1995 und zogen auf den Hof. Werner Langenegger wollte in seinem Leben etwas Neues machen. So übernahm das junge Paar den Hof. Dina erinnert sich: «Wir waren 22 und 25 und hatten nicht damit gerechnet, so früh Verantwortung übernehmen zu müssen.» Die Eltern wohnten weiterhin im Haus, gingen ihren eigenen Tätigkeiten nach. Die Kinder Lukas (26), Seilbahner bei Matterhorn-Zermatt-Bergbahnen, Marco (24), in der bäuerlichen Ausbildung auf einem Biobetrieb im Thurgau, und Lena (23), Restaurationsfachfrau in einem bekannten Zürcher Kaffee mit Bäckerei, wurden geboren. Das Zusammenleben habe gut funktioniert und die junge Familie war froh um zeitweilige Unterstützung. «Wir wussten immer, was wir aneinander haben», formuliert es Dina.

Wie es früher war

Auf dem Bommes stand schon immer Original Braunvieh. Walter Langenegger erklärt, ihm gefalle diese Zweinutzungsrasse. Es sei eine robuste Kuh mit guter Melkbarkeit und einem guten Fundament. «Zudem hat sie einen angenehmen Charakter», sagt er und lächelt. Der Besuch im Stall beweist: Alle Tiere sind ruhig, lassen sich anfassen und kraulen. Langeneggers wollen weiterhin Demeter produzieren. Was ihn daran am meisten fasziniere, erläutert der Bauer: «Demeter hat weltweit die gleichen Vorschriften, also im Gegensatz zu Bio, wo es verschiedene Labels gibt.» Auch Jungbauer Marco ist der Meinung, landwirtschaftliche Produkte würden – nein müssten sich immer mehr Richtung Bio und Demeter bewegen. Wie es früher war, gibt Walter Langenegger zu bedenken. «Als meine Eltern auf Bio umstellten, mussten sie kaum etwas ändern. Sie hatten nämlich die chemischen Hilfsmittel, die in den 1970er-Jahren aufkamen, gar nie eingesetzt.»

Beginn mit Milchverarbeitung

Die Eltern verarbeiteten bereits in den 1980er-Jahren die Milch selbst. Seit jeher waren sie bekannt für ihren Quark, der auch heute noch vom Sohn von Hand und nicht industriell hergestellt wird. Jahrelang «hausierten» Langeneggers mit Quark, Rahm, Joghurt. Als das junge Paar auf den Hof zog, errichteten sie einen Hofladen. Dieser bestand am Anfang aus ein paar Regalen und einem Kühlschrank.

Kein einfacher Start

Die Familie will weitermachen wie bisher. Wie Sohn Marco in den Betrieb einsteigen wird, weiss derzeit noch niemand. Die Eltern raten ihm, sich vor einem Entscheid in der Welt umzusehen. Sie reden aus Erfahrung: «Wir sind glücklich, wie sich unser Leben entwickelt hat,» sagen sie überzeugt. Aber es sei nicht einfach gewesen, anfangs nach der Hofübernahme mit drei kleinen Kindern. «Wir haben uns jährlich zwei Wochen Ferien gegönnt: Eine für unsere Beziehung und eine für die ganze Familie», verrät Dina Langenegger. Ihr Mann fährt weiter: «Dafür verzichteten wir auf eine Maschine oder wir baten einen Lieferanten, uns eine Rechnung zu stunden.» Der Besuch auf dem Demeterhof geht zu Ende. Die Besucherin hat das Gefühl, ein paar Stunden in einer anderen, einer heilen Welt verbracht zu haben. Sie kann sich nicht vorstellen, dass es bei Langeneggers unruhig oder friedlos zugehen kann. Weder im Haus, im Hofladen noch im Stall.

 

Informationen unter www.hofladen-gais.ch

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