Landwirt Christoph Hümbelin aus Stüsslingen-Rohr hat auf seinem abgelegenen Grundstück eine Idee aus dem Studium umgesetzt.

Noël Binetti | Aargauer Zeitung/MLZ/Schweiz am Wochenende
Es gab mal ein Schulfach mit dem Namen «Natur, Mensch, Umwelt». Diese Begriffe stehen für viele wundersame Kreisläufe, die existieren, seit auf dem Planeten gelebt wird. (Sauberes) Wasser ist dazu ein entscheidender Faktor. In unserer Zivilisation haben wir längst sämtliche Bachläufe exakt kartografiert, kanalisiert oder mittels baulicher Massnahmen auf irgendeine Weise erschlossen und nutzbar gemacht. Wir spülen Geschirr und Toiletten, waschen Kleider oder Autos und baden uns selbst. Was dann mit dem Wasser geschieht, welches durch mehr oder minder verstopfte Abflüsse und gekrümmte Siphons unbemerkt in die Kanalisation verschwindet, wissen viele nicht so genau. Ist auch egal – aus dem Hahn gibt’s Nachschub. Und das in Trinkwasserqualität.
Einer, dem das nicht egal ist, ist der 32-jährige Landwirt Christoph Hümbelin aus Stüsslingen-Rohr. Einst machte Hümbelin eine Lehre als Maurer. Er lebt auf dem elterlichen Gitziberghof, der vor bald zwei Jahren auf ihn überschrieben wurde. «Wir teilen uns aber die Arbeit, es sind ja noch immer gleich viele Leute da. Nur auf dem Papier gehört der Hof mir», erklärt Hümbelin bei der Begrüssung vor dem Hof, mit einem verlegenen Lächeln im Gesicht. Er hat mittlerweile auch einen Bachelor of Science in Umweltingenieurwesen in der Tasche. Grund für die Visite nahe der Kantonsgrenze ist Hümbelins Interesse für Kreislaufwirtschaft und deren ökologische Umsetzung. Hier auf der Schafmatt, 742 Meter über Meer, hat er ein Projekt umgesetzt, von dem er zum ersten Mal während seines Studiums gehört hat: eine Pflanzenkläranlage.
Grundstück nicht an Abwassernetz angeschlossen
Hümbelins Hof hat keinen Anschluss an eine zentrale Kläranlage. Für Bauernhöfe oder Gebäude, die eine zu grosse Distanz zum Kanalisationsnetz aufweisen, ist das nichts Unübliches. Hümbelin erklärt: «Bis zu einer gewissen Menge darf Abwasser an solchen Orten in das Gülleloch geführt werden.» Das Verhältnis von Gülle und Abwasser ist aber auf 3:1 begrenzt und wird vom Kanton reglementiert. «Weil hier mehrere Menschen wohnen und mit der Produktion von Milchprodukten zusätzliches Abwasser anfällt, sahen wir uns nach einer Lösung um», erklärt Hümbelin. Eine solche hätte für viel Geld in einem Anschluss ans Gemeindenetz bestanden. Oder in der Erstellung eines Kleinklärwerks, ausgerüstet mit viel Technik. Hümbelin fand beides nicht zielführend. «Die nun fertige Anlage war zwar aufwendig im Bau, dafür reinigt sich das Wasser auf natürliche Weise von selbst.» Autonom und unabhängig von Ersatzteilen oder Pikettdiensten. Eine simple Vergrösserung des Güllelochs hätte mehr gekostet und wäre wegen des erlaubten Mischverhältnisses nicht bewilligt worden.

Die Einfahrt verläuft zum Wohnhaus hin ansteigend. Wer von der Fahrstrasse auf das Grundstück einbiegt, findet rechts einen Misthaufen, der zum Stall gehört. Links fällt ein mit Holzlatten und Maschendraht eingezäuntes Schilffeld auf. Darunter befindet sich das eigentliche Herzstück der Pflanzenkläranlage. Abwasser von Haushalt und Milchverarbeitung gelangen zuerst in ein Holzhäuschen, etwa so gross wie zwei Container. Ein Sieb behält hier natürliche Feststoffe zurück, sie werden allmählich zu Kompost. «Ab und zu geben wir etwas Stroh hinzu, um der Masse Struktur zu geben», führt der junge Landwirt aus, und fügt an: «Klar, wir werfen nichts in die Toilette, was hier nicht hingehört.»
Das schmutzige, aber von Fäkalien befreite Wasser gelangt dann in einen in den Boden eingelassenen Schacht aus Beton. Wird ein gewisser Pegel erreicht, schaltet sich automatisch eine Pumpe an. Sie verteilt das Wasser gleichmässig durch ein Röhrensystem über den Bodenfilter. Von dort sickert es durch die etwa ein Meter tiefe Kies- und Sandschicht, Mikroorganismen leisten den Rest der Arbeit. «Die Schilfwurzeln geben dem Boden Struktur und die nötige Lockerheit», so Hümbelin.
Spezialisierte Firma begleitete das Projekt von Anfang an
Weil der Hof in einer Gewässer- und zudem in der Juraschutzzone liegt, darf das gereinigte Wasser anschliessend nicht in die Erde sickern und wird in den Bach geleitet. Christoph Hümbelin öffnet den Deckel des Kontrollschachts am Ende der Anlage, taucht ein Glas hinein, und zeigt nicht ohne Stolz das Ergebnis: klares, beinahe geruchloses Wasser. Lediglich ein Hauch von Molke ist beim Riechen mit der Nase festzustellen.
Obwohl Hümbelin dank seiner Erstausbildung viele der Arbeiten selbst ausführte und viel Zeit investiere, schätzt er die angefallenen Kosten für Material und Planung auf rund 100000 Franken. Subventionen gabs dafür keine. Als er den Entschluss zum Bau fasste, das war Anfang 2018, zog er den Rat und die Unterstützung der auf solche Bauten spezialisierten BiCon AG bei. «Die Firma übernahm die ganze Planung und dimensioniert die Anlage», sagt Hümbelin. Das Unternehmen nahm auch die Baueingabe bei der Gemeinde vor.
Alle Mauern weisen eine beachtliche Dicke auf, «das ist den Auflagen geschuldet», so Hümbelin. Funktion und Wirkung der Anlage sind mittlerweile vom kantonalen Amt für Umwelt abgenommen – die Abnahme durch die lokale Baubehörde steht noch aus. Seit dem Sommer ist das Projekt abgeschlossen. Auf dem Gitziberghof wird ausschliesslich Grünlandwirtschaft betrieben, also Weide und Wiese. Der Hof ist mit den Labels Bio-Suisse und Demeter ausgezeichnet. Käse, Quark oder Glace finden den Weg von hier nach Olten zum «Wackerbeck» oder an andere Orte, bis nach Basel. «Auf dem hinteren Bereich vom Hausdach befindet sich eine Solaranlage», sagt Christoph Hümbelin, «vielleicht wird die eines Tages noch erweitert». Auch mit dem Bau eines kleinen Speichersees für das geklärte Wasser hat er bereits begonnen. «Dieses könnten wir dann im Haus für die WC-Spülung einsetzen.» Es fällt auf, dass Hümbelin das Zusammenspiel von Natur, Mensch und Umwelt in Kreisläufen denkt. Dabei versucht er, diese so effizient als möglich zu gestalten. Über Schulfächer hinaus.