November 2020| Kommunikation Demeter Schweiz

Interview mit Ortwin Schönholzer, biodynamischer Anbauer von Lichtwurzeln

Ortwin Schönholzer, Sie betreiben einen Demeter-Betrieb in Effretikon. Was alles bauen Sie an?

Ortwin Schönholzer baut die Lichtwurzel an. Die leuchtende Wurzel fasziniert ihn je länger je mehr.

Der Demeter-Betrieb liegt am Ortsrand von Effretikon ZH. Wir bewirtschaften Streuobstwiesen mit über 170 Hochstammbäumen, pflegen rund 500 m artenreiche Hecken und bauen Lichtwurzel an. Die Lichtwurzel ist ein Wurzelgemüse und gehört zu der Familie der Yamswurzelgewächse.

Yams ist hier nicht heimisch. Wie sind Sie darauf gekommen, ihn anzubauen?

Yams ist in Südostasien und Westafrika ein Grundnahrungsmittel. 2017 wurden weltweit über 70 Millionen Tonnen Yams angebaut. Aus der Yamswurzel werden aber auch Heilmittelpräparate hergestellt. – Rudolf Steiner gab vor etwa 100 Jahren die Anregung, die Yamsart «Dioscorea batatas» in Mitteleuropa zu kultivieren, weil durch sie starke Lichtkräfte mit der Ernährung aufgenommen werden können.

Blatt in Herzform mit typischem dunkelrotem Rand

Es war ein langer Weg, die gesuchte Art überhaupt ausfindig zu machen. Sie wird heute Lichtwurzel genannt – und ist nicht zu vergleichen mit den dickeren Yams-Wurzeln, die man manchenorts kaufen kann.

Was für eine Pflanze ist die Dioscorea batatas?

Die Lichtwurzel (Dioscorea batatas) ist eine mehrjährige Kletterpflanze und gehört zur Familie der Yamswurzelgewächse (Dioscoreaceae). Zu dieser Familie gehörten über 600 Arten. In Südamerika, Afrika und Asien sind Yamswurzeln als Nahrungs- und auch Heilpflanzen weit verbreitet.

Die Lichtwurzel bildet Ranken, die an einer Kletterhilfe in die Höhe wachsen. Das Blatt hat eine längliche Herzform mit einem typisch dunkelroten Rand – dieser unterscheidet sie von anderen Yamspflanzen. Das unterirdische Wurzel-Speicherorgan ist tropfenförmig, nach unten wird es dicker. Die Vermehrung erfolgt über Sprossknöllchen, die ab dem zweiten Vegetationsjahr an der Blattachsel wachsen.

Aus diesen Sprossknöllchen entstehen die neuen Lichtyam-Pflanzen.

Der Anbau von Yams gilt als schwierig – warum?

Die Lichtwurzel wächst in unserer klimatischen Region sehr gut. Vorausgesetzt, die Erdmischung aus Humus, präpariertem Kompost und Sand stimmt, wir sind da noch immer am Ausprobieren. Schwierig ist vor allem die Ernte, da die Wurzeln leicht zerbrechen. Das ist etwa vergleichbar mit der Spargelernte, nur dass die Lichtwurzel bis zu einem Meter lang wird. Man muss sie mit viel Handarbeit bis ganz unten freischaufeln, damit man sie mit äusserster Sorgfalt aus der Erde herauslösen kann. Ich habe schon mit verschiedenen Anbaumethoden experimentiert; früher haben wir sie in Kästen angebaut, davon sind wir aber wieder weggekommen. Und beim Versuch, sie mit dem Schüttelsiebroder zu ernten, sind alle zerbrochen.

Lichtwurzel ist eine zweijährige Pflanze. Die einjährige Wurzel, der „Jährling“, wird ausgegraben und im Keller eingelagert. Im kommenden Frühling wird diese wieder neu gesetzt, aber nun bildet sich aus der alten Wurzel ein neuer Trieb. Erst aus diesem wird eine schöne, grosse Lichtwurzel, welche schliesslich im November geerntet wird.

Können Sie dazu noch etwas mehr sagen?

Lichtwurzeln ernten ist Gemeinschaftswerk von Hand, das äusserste Geduld und Sorgfalt verlangt. Umso grösser ist die Freude, wenn eine Wurzel heil geborgen ist.

Die Ernte ist der Höhepunkt des Jahres. Man geht eine enge Verbindung mit der Erde ein. Die untere Spitze der Wurzel ist wie ein Licht in der Erde, das einem richtiggehend entgegenleuchtet. Das ist geheimnisvoll und beglückend, vergleichbar etwa mit der Stimmung, die ich bei der Präparatearbeit habe. Zugleich ist die Ernte eine grosse Herausforderung: Man schafft sie nicht allein, sie ist ein Gemeinschaftswerk. Dieses Zusammen-Arbeiten gehört mit zum Besonderen der Lichtwurzel.

Die Anbauweise soll einen grossen Einfluss auf die Qualität der Wurzeln haben. Dabei scheinen die hochwertigsten Wurzeln aus der biodynamischen Landwirtschaft zu stammen. Was machen Sie als biodynamischer Landwirt anders?

In der biodynamischen Landwirtschaft wird der Hof als individueller Organismus angeschaut, geprägt durch seinen Standort, die Pflanzen, die Tiere und die Menschen, die darauf leben. Durch die biodynamischen Präparate erreichen wir eine dauerhafte Bodenfruchtbarkeit, damit wir gesunde und vollwertige Lebensmittel produzieren können.

Die Schnittstelle der Lichtwurzel bleibt schneeweiss – das ist eines der Prüfkriterien für die richtige Qualität.

Man sagt der Yams- oder Lichtwurzel nach, dass sie auf den menschlichen Organismus in besonderer Weise wirkt. Können Sie diese Wirkung bei sich selbst feststellen?

Persönlich konnte ich feststellen, dass man sich nach der Einnahme der Lichtwurzel wacher und kräftiger fühlt. Es erinnert etwas an das Erlebnis, wenn beim Ernten die untere Spitze der Wurzel einem aus dem dunklen Erdboden entgegenleuchtet. Untersuchungen kamen zum Schluss, dass die Inhaltsstoffe Diosgenin, Dioscorin und Dioscin gesundheitlich vorteilhafte Eigenschaften aufweisen. Auch in der chinesischen Medizin wird die Pflanze eingesetzt. Für eine Übersicht der gesundheitlichen Aspekte kann ich das Buch empfehlen: «Die Chinesische Yams Dioscorea batatas» von T.+J. Hartkemeyer ISBN: 9783752883114

Mögen Sie selbst Gerichte mit der Lichtwurzel? Welches am liebsten?

Wir verwenden sie als Ersatz für die Kartoffel, somit ist eine Vielzahl an Gerichten möglich. Am liebsten habe ich sie einfach kurz im Öl angebraten mit Salz und Gewürzen. Aber auch die Blütenstände verwenden wir – sie duften nach Vanille und werden bei uns über den Salat gestreut.

Wo kann man Ihre Demeter-Lichtwurzeln kaufen?

Unsere Lichtwurzeln kann man auf der Webseite www.lichtwurzel.ch bestellen. Nach der Ernte versenden wir sie dann sicher verpackt an die Konsument*innen. Es gibt auch Bioläden in der Region, die unsere Lichtwurzeln während der Saison im Sortiment führen.

Werden Sie bei grösserer Nachfrage mehr Yams anbauen? Oder gibt es Pflanzen, die den Yamsanbau sinnvoll ergänzen?

Wir haben bereits mehrfach die Anbaumenge erweitert. Zurzeit sind wir am Experimentieren mit verschiedenen blühenden Zwischenfrüchten in der Fruchtfolge vor dem Lichtwurzelanbau. Mein Ziel ist es, ein gutes Anbausystem zu entwickeln, so dass eines Tages auch grössere Mengen angebaut werden können.

Website: lichtwurzel.ch

Vielen Dank, Ortwin Schönholzer, für dieses spannende Gespräch.

 


Lichtyam – eine Wurzel voller Geheimnisse

Wirksensorische Prüfung von Dioscorea batatas (Lichtyam)

Dr. Uwe Geier führte auf einem Seminar für Mitarbeiter einer Stiftung einen wirksensorischen Test mit Lichtyam durch. Die eine Probe enthielt Rübenzucker mit 2% Dinkelmehl, die andere Rübenzucker mit 2% Dioscorea batatas/Lichtwurzel. Die Probenunterschiede waren den Seminaristen nicht bekannt, geschmacklich konnte kein Unterschied festgestellt werden.

Fazit der Prüfung

Der Zusatz von 2% Dioscorea batatas (Lichtyam oder Lichtwurzel) statt 2% Dinkelmehl in Bio-Rübenzucker führt zu einem signifikant unterschiedlichen Erlebnis bei den Seminarteilnehmer*innen. Der Zucker mit Dioscorea batatas Zusatz wird deutlich positiver bewertet. Ein grosser Unterschied zeigt sich beim Einzelmerkmal hell-dunkel, d.h. der Dioscorea batatas führt zu einem Erlebnis von Helligkeit. Auch in den Skalen, den Zusammenfassungen von je fünf Einzelmerkmalen des Fragebogens, wird der Zucker mit Dioscorea batatas-Zusatz signifikant oder hochsignifikant besser beurteilt. Die aufgefundenen Effekte sind bemerkenswert, weil die Teilnehmer*innen über keine bzw. kaum Erfahrung mit der wirksensorischen Wahrnehmung verfügten.

Dioscorea batatas in der Tradition

In der Traditionellen Chinesischen Medizin ist die Lichtyam (Dioscorea batatas) auch als Shan Yao oder Bergmedizin bekannt. Die Legende besagt, dass eine Gruppe Soldaten die Leiden einer Belagerung dank der Dioscorea batatas überstehen konnte. Nach dem Genuss der Yams-Wurzel fühlten sie sich körperlich und geistig gestärkt. Ihre Pferde liessen sie die oberirdischen Teile der Pflanze abgrasen. Die Wurzel schmeckte ihnen gut, und sie hatte erstaunlicherweise eine heilende Wirkung auf die verletzten Soldaten. Diese schienen geistig gestärkt zu sein. Die Wurzel wurde daher ShanYao, übersetzt «Bergmedizin» genannt. Die Dioscorea batatas wird schon seit Jahrhunderten in China als Nahrungs- und Heilpflanze verwendet. Durch den schwierigen Anbau blieb die Pflanze als Wurzelgemüse in Europa lange unbekannt.

Lichtwurzel als Ergänzung zur Kartoffel

Rudolf Steiner erwähnte die Pflanze als zeitgemässes Nahrungsmittel für den Menschen und Alternative zur Kartoffel. Sie soll laut Steiner Lichtäther binden und dem Menschen in seiner Nahrung zur Verfügung stellen können. Zurzeit erlebt die Lichtwurzel vor allem in Mitteleuropa eine Renaissance, da entdeckt wurde, dass die Wurzelknolle den immer weiter fortschreitenden Verhärtungstendenzen im menschlichen Körper entgegenwirken kann – für Menschen in hochzivilisierten Ländern ein wichtiges Thema. Ausser der erntefrischen Lichtwurzel wird auch das gut lagerungsfähige Lichtwurzelpulver verwendet. Es wird erst nach dem Kochprozess über das Essen gestreut.

Entscheidet die Anbaumethode über die Qualität?

Versuche haben gezeigt, dass die Art des Anbaus der Lichtwurzel massgeblich dafür verantwortlich ist, in welchem Umfang die Wurzelknolle der Lichtwurzel ihre besonderen Eigenschaften entwickelt. Mit der Lichtwurzel arbeitende Menschen wählten deshalb diesen Begriff, um sie von üblichen Dioscorea batatas unterscheiden zu können.