13. Aug. 2017
Glückliches Mehl? Dieser Gedanke taucht tatsächlich auf nach den Gesprächen mit den beiden Müllern Urs Wahrenberger und Marc Nyffenegger. Körner, die langsam vermahlen werden zu Mehl mit ausgezeichneten Backeigenschaften, welches anspruchsvolle Hausfrauen gleichermassen begeistert wie professionelle Bäcker – das ist das Credo der Lamperswiler Mühle, die bei genügend hohem Wasserstand mit Energie von einer kleinen Wasserturbine aus dem Aspibach angetrieben wird.
In der vielseitigen Mühle wird Getreide gemahlen und hochwertiges Tier-Mischfutter hergestellt, aber auch Dinkel-, Hafer- oder Sonnenblumenkerne geschält1). Die Nebenprodukte aus der Vermahlung und der Rölle werden als Kissenfüllung, Legenestgrundlage, Tierfutter oder zur Stromerzeugung sinnvoll genutzt. Im Mühleladen sind all die schonend hergestellten Produkte erhältlich, und in Backkursen wird das Backhandwerk an Interessierte weitergegeben.
Die altehrwürdige Mühle mahlt schon seit 1548 Getreide. 1872 wurde sie von Johann Wahrenberger erworben. Heute wird sie von dessen Urenkel Urs Wahrenberger und seiner Frau Elfi betrieben. Unterstützt werden die beiden von Jacqueline Ammann und Marc Nyffenegger. Eine Mühle wie die Lamperswiler erfüllt eine zunehmend wichtige Funktion, weil sie dafür sorgt, dass regionale Agrarprodukte auch regional verarbeitet werden und man als Konsument den Bauern, den Müller und den Bäcker persönlich kennen kann.
Urs Wahrenberger hat unsere Fragen beantwortet.
Was wird in der Mühle Lamperswil gemäss Demeter-Richtlinien verarbeitet?
Wir vermahlen Demeter Weizen, Dinkel und Roggen; der Dinkel wird auch geschält oder geröllt, wie man den Schälvorgang1) in der Müllersprache nennt.
Was heisst das für die Verarbeitungsprozesse? Was tun Sie, damit die biodynamische Qualität erhalten bleibt?
Unsere Mühle arbeitet generell schonend, das Getreide wird bei uns sanft vermahlen. Das heisst, das Getreide wird mit wenig Druck im Verhältnis zur Walzenlänge2) relativ langsam vermahlen, wodurch kaum Hitze entsteht, was die Backeigenschaften des Mehls negativ beeinflussen kann. Denn der Kleber wird bei zuviel Wärme geschädigt. Selbstverständlich ist eine unserer zusätzlichen Aufgaben, auf einen sauberen Anfang zu achten, das heisst, eine genügend grosse Anlaufzeit einzurechnen, wenn Körner unterschiedlicher Label nacheinander vermahlt werden. So können wir garantieren, dass in unserem Demeter-Mehl auch nur Demeter drin steckt.
Was überzeugt Sie an Demeter?
Seit in den 70er-Jahren der damalige Bauer des Ekkharthofs bei uns sein Demeter-Mehl mahlen liess, haben wir lauter gute Erfahrungen gemacht. Die Demeter-Bauern, die ich kennengelernt habe, sind eine wahre Freude. Ehrlichkeit und Transparenz ist ihnen ein Anliegen. Uns überzeugt zudem, dass Getreide in der Region bleibt und der Käufer seinen Weg bis zum Ursprung zurückverfolgen kann. Das schafft eine Verbindung zu dem, was man isst. Da ist Demeter für mich vorbildlich.
Was ist aus Ihrer Sicht problematisch?
Ich habe meine Vorbehalte gegenüber der Sortenzüchtung; ich bin ein Anhänger der Sortenreinheit. Aber wenn die Eigenschaften einer neuen Sorte überzeugen und gut verträglich sind, kann ich ja auch etwas dazulernen …
Wie wird das wachsende Bewusstsein im Bezug auf Ernährung und Nahrungsmittelqualität für den Betrieb spürbar?
Qualität aus der Region wird immer mehr gesucht und geschätzt. Weil wir Mehle von höchster Qualität und mit besten Backeigenschaften herstellen, beziehen immer mehr Demeter-Bäckereien ihre Mehle bei uns. Demeter-Konsumenten wissen um den Wert guter Lebensmittel – sie sind daher auch bereit, einen ehrlichen Preis zu zahlen.
Welches Interesse steht für Sie dahinter, diesen besonderen Verarbeitungsbetrieb zu führen?
Mein Urgrossvater hat diese Mühle 1872 erworben. Ich bin schon als Müller zur Welt gekommen, und ich bin es mit Leidenschaft – die Mühle ist mein Leben. Es ist mir wichtig, sinnvoll und sinnlich im Lebensmittelbereich zu arbeiten – als Banker wäre ich todunglücklich. Sauberkeit und Ordnung sind in unserer Mühle eine Selbstverständlichkeit, für die wir viel arbeiten. Unser voller Einsatz wird belohnt durch das Vertrauen unserer Kunden. Selbst die Qualitäts-Kontrolleure, die viele Mühlen kennen, kaufen bei uns ein. Das ist eine grosse Befriedigung.
Wieviele Mitarbeitende bewirtschaften die Mühle Lamperswil?
Wir sind zu fünft, decken aber nicht 500 Stellenprozente ab. Zusätzlich vergeben wir Monat für Monat Transportaufträge im fünfstelligen Bereich.
Wo finden Konsumenten Produkte aus Demeter-Mehlen, die bei Ihnen gemahlen wurden?
Wir beliefern beispielsweise den Bioladen Altstetten, das Korn.haus in Dussnang, die Vollkornbäckerei Scharrenberg, den Ekkharthof und das Maison Manesse mit Demeter-Mehl. Und natürlich kann man die Mehle auch bei uns im Mühleladen kaufen.
Ist Ihr Unternehmen im Gleichgewicht? Oder fehlt ihm etwas?
Ich gebe mich nie zufrieden mit dem, was ist, und sehe immer, was noch besser werden könnte. Eine immerwährende Herausforderung ist, unsere drei Bereiche Mehle, Röllen (Schälen) und Mischfutter optimal am Laufen zu haben. Das ergibt immer Hektik für alle, die wir hier arbeiten. Aber es gibt zwei objektive Indizien dafür, dass die Lampensberger Mühle auf gesunden Füssen steht: Es gibt sie noch! Sie kann überleben, während die meisten anderen Mühlen unserer Grösse nicht mehr mahlen. Und ich habe in Marc Nyffenegger einen tollen jungen Nachfolger gefunden, der die Mühle mit viel Begeisterung weiterführen wird. Das ist heute keine Selbstverständlichkeit. Darauf könnte ich sogar etwas stolz sein.
Zum Schluss haben Sie einen Wunsch frei …
Ich wünsche der ganzen Mühlen-Belegschaft Gesundheit und hoffe, dass sich die Mühle immer weiterentwickelt. – Und ich freue mich, wenn ich weiterhin nach einer sechseinhalb-Tage-Woche am Samstagabend in einem der fantastischen Thurgauer Gastronomiebetriebe mit meiner Frau zusammen gut essen gehen kann, oder wenn ich in einer der Zigarre-Pausen einen Gang runterfahren und und alles etwas ruhiger anschauen kann.
Wir danken Urs Wahrenberger für das aufschlussreiche Gespräch und wünschen dem Müllerei-Team alles Gute.
Zur Website der Mühle Lamperswil, Schäl-, Mehl- und Futtermühle
1) Als traditionelle Röllmühle ist die Mühle Lamperswil seit je her eng mit dem Dinkel verbunden. Dinkel, Einkorn und Emmer sind umgeben von einem sehr widerstandsfähigen Spelz. Dieser schützt einerseits den Kern des Dinkels, aber im Gegensatz zum Weizen lässt sich der Spelz nicht einfach so im Mähdrescher entfernen. Der Spelz wird deshalb mit einem Schäler im sogenannten „Röllgang“ von den Kernen getrennt.
2) Aus dem Beschrieb der Mühle: „Das wichtigste Werkzeug im Müllerhandwerk sind die Walzen in den Walzenstühlen, welche das Getreide aufschneiden und so die Loslösung des Mehlkörpers von den Schalenbestandteilen ermöglichen. In unserer Mehlmühle kommen nebst zwei Riffelwalzenpaaren und zwei Glattwalzenpaaren auch noch zwei Porzellanwalzenpaare zum Einsatz. Mit diesen wird das Getreidekorn dank der rauhen Oberfläche aufgerieben, anstatt wie in modernen Mühlen mit Druck aufgebrochen. Daneben vermahlen wir im Verhältnis relativ wenig Körner pro Minute auf eine verhältnismässig grosse Walzenlänge. Da die Walzen so sehr schonend arbeiten, ist auch unser helles Mehl mit den nähstoffreichen Randschichten der Getreidekörner angereichert, ohne dass das Getreide warm wird, worunter die Backfähigkeit leidet. So entsteht ein Mehl mit einer gesunden Nährstoffzusammensetzung und einer guten Triebfähigkeit, sodass auch ohne Zusätze ein luftig-feines Gebäck entsteht, das lange feucht bleibt.“