1989 wurde die Biomilk als eine Art Selbsthilfeorganisation vom Biohandel und von Lieferanten gegründet – lange vor dem grossen Bioboom in der Schweiz. Die Molkerei in Münsingen versteht sich als kleine Milchmanufaktur, die sich auf die sorgfältige und schonende Verarbeitung von Milch spezialisiert hat. Als Aktiengesellschaft organisiert gehört das Unternehmen Privaten, Bioläden und Lieferanten. Pro Jahr werden gut 430’000 kg Kuhmilch und 100’000 kg Schafmilch zu unwiderstehlichen Jogurts, Desserts wie Panna Cotta, Flans, Caramel- und Griessköpfli, Rahm, Sauerrahm und Quark verarbeitet.
Marcel Schär ist seit 2015 Geschäftsführer der Biomilk AG und beantwortete unsere Fragen.
Herr Schär, was ist bei Biomilk Demeter?
Bei uns sind fast alle Zutaten Demeter, das heisst, wir verwenden 100% Demeter-Kuh-Milch und ausschliesslich Früchte, Gewürze und Zucker aus biodynamischem Anbau. Aber auch bei der Verarbeitung werden die Demeter-Vorschriften erfüllt. Wir sind eine echte Manufaktur: Bei uns sieht und riecht man das Produkt während dem Verarbeitungsprozess, in den wir viel menschliche Energie und Zeit investieren. Die Milch wird zum Beispiel nicht gepumpt, um sie nicht diesem Druck auszusetzen. Auch der Jogurt wird in die Abfüllmaschine geschüttet und nicht wie üblich gepumpt – das hat einen Einfluss auf die Struktur der Milch und ihre Bekömmlichkeit.
Ein Qualitätsmerkmal unserer Jogurts ist, dass sie etwas dünnflüssiger sind, denn wir setzen kein proteinreiches Milchpulver zur Verdickung ein. Auch beim Zucker bewegen wir uns konsequent unter der 8%-Limite – üblicherweise ist der Zuckeranteil fast doppelt so hoch. Aber der Mensch ist ein Gewohnheitstier: Schon kleinste Abweichungen vom Gewohnten irritieren seine Geschmacks- und Vorstellungszellen … Die Qualität eines natürlichen Jogurts kann oft erst beim zweiten oder dritten Mal richtig wahrgenommen werden. Danach kann man dann kaum mehr zurück.
Welche Anforderungen stellt Demeter an die Verarbeiter?
Unsere Verarbeitung setzt viel mehr handwerkliches Können voraus. Bei uns übernehmen nicht Maschinen die Verantwortung für ein immer gleich bleibendes Resultat, sondern Menschen. Auch ist die Milch nicht jeden Tag genau gleich. Sie hat wie alles Lebendige ihre Eigenheiten, mit denen man umgehen können muss. Dafür muss man das Handwerk gelernt haben, müssen Auge, Nase und Geschmackssinn der Mitarbeiter geschult sein.
Was überzeugt Sie am Label Demeter?
Mir gefällt die ganze Philosophie, die von der Erde über den Landwirt und Verarbeiter bis zum Konsumenten alles einschliesst. Grundlage ist ein schonender Ansatz: Es wird so viel erwirtschaftet, wie die Natur uns gibt. Nicht mehr. In diesem ganzheitlichen Prozess spielt jeder eine wichtige Rolle. Mir gefällt auch, dass die Landwirte von der biodynamischen Landwirtschaft überzeugt sein müssen – man kann nicht nur halbherzig biodynamisch bauern. Das widerspricht dem nicht, dass man auch aus wirtschaftlichen Gründen umstellen kann. Im Gegenteil: Damit es gelingt, braucht es ein volles Dahinterstehen und viel Bewusstsein bei der Arbeit.
Und die Kehrseite: Was ist problematisch, könnte aus Ihrer Sicht verbessert werden?
Mich stören die weiten Transportwege von Früchten und Zucker. Das entspricht in meinen Augen nicht wirklich dem Demeter-Gedanken; die Umweltbelastung ist einfach zu hoch. Bei der Milchanlieferung beträgt die grösste Distanz zwischen Stall und Molkerei 30 km, aber die Früchte kommen von sehr viel weiter her. Ausser Äpfel, Zwetschgen und Rahbarbern finde ich keine Demeter Früchte in der Schweiz. Sie fehlen. Und wenn es sie gäbe, würde der Preis zum Problem. Die Transportkosten sind heute einfach zu günstig, so bleiben die Produkte bezahlbar. Ich kann mir aber vorstellen, dass wir mit Bäuerinnen und Bauern, die Himbeeren, Erdbeeren, Johannisbeeren und Aprikosen in Demeter-Qualität anbauen wollen, Vereinbarungen eingehen könnten, die für beide Teile vorteilhaft wären.
Wird das wachsende Bewusstsein im Bezug auf Ernährung und Nahrungsmittelqualität für den Betrieb spürbar? Wie?
Ja, wir spüren das, im negativen Sinn. Und zwar in Form von Druck. Vegane Produkte benötigen im Kühlregal Platz, und dieser fehlt uns für unsere Milchspezialitäten. Die Milch hat ein Image-Problem, obwohl zum Beispiel ein Demeter-Jogurt das natürlichste Jogurt überhaupt ist. Die Menschheit hat sich sehr weit vom Natürlichen entfernt. All die Allergien sind die Antwort. Dass sie im Zusammenhang mit der Synthetisierung der Lebensmittel stehen könnten, ist für mich klar, wird aber wenig diskutiert. Man zerstört heute die vitale Harmonie eines natürlichen Rohproduktes, indem man es in alle seine Bestandteile aufspaltet und dann synthetisch nach Belieben neu zusammensetzt und als „gesundmachendes“ Lebensmittel auf den Markt bringt. Es wird ein Generationenthema sein, wieder zu einer natürlichen Ernährung zurückzufinden. Für mich stellt sich auch die Frage, wie stark solche Trends gesteuert sind, im Grunde also gar nicht einem wirklichen Bedürfnis der Konsumenten entsprechen.
Was würden Sie dem Konsumenten antworten, wenn er Ihre Produkte zu teuer findet?
Unsere Antwort ist klar: Wir bezahlen den Bauern einen gerechten Milchpreis, und wir bezahlen das handwerkliche Können und die Arbeitszeit von qualifizierten Menschen. – Der Preis ist schon ein Thema, aber in unserem Fall zum Glück nicht immer das wichtigste.
Biomilk-Produkte sind auch im Grossverteiler erhältlich. Was hat Sie zum Schritt in den Detailhandel bewogen? Was bedeutet er für Ihr Unternehmen?
Für Biomilk ist es ein Glücksfall, wenn wir in den Grossverteilern Fuss fassen können. Wir wollen und müssen wachsen, wollen mehr Demeter-Milch verarbeiten und absetzen. An den Bauern liegt es nicht, die Milch ist da, aber der Absatz stagnierte, weil wir im Fachhandel nicht zulegen konnten. Generell nimmt der Konsum von Bio-Lebensmitteln jedoch zu, eben weil sie an mehr Verkaufspunkten erhältlich sind. Die ersten Erfahrungen mit der Migros stimmen uns sehr zuversichtlich.
Welches Interesse steht für Sie dahinter, diesen besonderen Verarbeitungsbetrieb zu führen?
Es gibt täglich neue und spannende Herausforderungen – das liebe ich. Und ich habe täglich mit tollen Menschen und Produkten zu tun, ein Glücksfall! Mir persönlich bedeutet es sehr viel, nach einer erfahrungsreichen Wanderzeit bei Emmi und Migros wieder zum Ursprung zurückgekehrt zu sein – ursprünglich war ich Käser.
Wenn Sie Ihr Unternehmen befragen, wie der Bauer seinen Boden, was stellen Sie fest? Ist es im Gleichgewicht? Fehlt ihm etwas?
Aktuell ist diese Frage des Wachstums eine spannende Herausforderung: Unser bisheriger Produktionsbetrieb platzt aus allen Nähten und ist energietechnisch nicht der Zeit entsprechend. Wir müssen heute auf drei Böden arbeiten und können aus vielfältigen Gründen nicht am alten Standort ausbauen. Nun ist auf Frühjahr 2018 ein Neubau geplant: Wir können nach neustem für uns finanzierbarem Standard bauen – wir können ein Unternehmen in die Zukunft führen. Dies auf allen Ebenen in Harmonie zu bringen, ist eine Herausforderung, die mich reizt.
Zum Schluss haben Sie einen Wunsch frei.
Ich wünsche mir möglichst viele neue Biomilk-Konsumenten. Und ich schaue mit Respekt nach Deutschland, wo es gelungen ist, Demeter zu einer bekannten Marke zu machen, die beste Noten bekommt. In diesem Sinne wünsche ich mir auch viele neue Demeter-Konsumenten.
Vielen Dank, Marcel Schär, für das anregende Gespräch.
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