Interview mit Ruedi Hochstrasser, dem Geschäftsleiter der Molkerei Biedermann, Bischofszell
Die 1974 durch Pius Biedermann gegründete Molkerei Biedermann in Bischofszell ist ein innovatives und umweltbewusstes Unternehmen, das bereits 1989 pionierhaft für die Schweiz die Lizenz zur Verarbeitung von Bio-Knospe-Milch erlangte, 2002 dann für Demeter-Milch. Gegen 300 Höfe, davon 10 Demeter- und 170 Bio-Betriebe, liefern heute ihre Milch in die Molkerei Biedermann. Demeter macht rund 3 Prozent, Bio zwei Drittel der insgesamt 47 Millionen Liter verarbeiteter Milch aus. Die Molkerei Biedermann beliefert fast alle Detailhändler in der Schweiz, darüber hinaus Industriekunden sowie den Bio-Fachhandel im EU-Raum. 2011, als Gründer Pius Biedermann in den Ruhestand trat, wurde die Molkerei mit ihren rund 120 Mitarbeitenden eine Tochterfirma von Emmi. Sie wird als eigenständiges Unternehmen von Geschäftsleiter Ruedi Hochstrasser weitergeführt.
Herr Hochstrasser, was ist in der Molkerei Biedermann Demeter?
Wir verarbeiten Milch und stellen Butter und neuerdings auch Jogurt in Demeter-Qualität her.

Was war ursprünglich der Beweggrund, Demeter-Milch zu verarbeiten?
Dies war ein Entscheid des Firmengründers Pius Biedermann. Als die Molkerei Biedermann 1989 begannen, Bio-Milch zu verarbeiten, wollten wir möglichst viele Bauern der Region als Lieferanten gewinnen. Unter ihnen waren auch Demeter-Bauern. Die Milch der biodynamisch gehaltenen Kühe wurde damals bei uns unter die „normale“ Bio-Milch gemischt. Vom Fachhandel wurden wir später angefragt, ob wir Demeter-Milch hätten. Wir begannen diese nun separat einzusammeln und zu verkaufen. Um aus ökologischen und ökonomischen Gründen eine Sammeltour nicht zweimal fahren zu müssen, rüsteten wir ein Sammelfahrzeug so aus, dass sich zwei Annahmestellen und getrennte Kammern auf demselben Fahrzeug befanden. Das war anderntags dann auch passend fürs Einsammeln der Schafmilch.
Was heisst Demeter für die Verarbeitungsprozesse? Was tut ihr, damit die biodynamische Qualität erhalten bleibt?
Das Besondere ist, dass die Demeter-Milch nicht homogenisiert wird. Diese Milch rahmt also weiterhin auf. Beim Jogurt wenden wir ein Verfahren an, um eine feste und cremige Konsistenz hineinzubekommen. Speziell ist auch, dass wir die Demeter-Früchte fürs Jogurt selbst einkochen.
Die strikte Trennung der verschiedenen Milchen gehört bei uns indes zum üblichen Prozessablauf, denn wir verarbeiten Bio-, konventionelle, Schaf- und Geissenmilch und stellen auch noch vegane Produkte her.
Was überzeugt Sie am Label Demeter?
Mich überzeugt die Urproduktion, die Landwirtschaft, die auf geschlossene Kreisläufe achtet, bei der Fütterung der Kühe auf Raufutter baut und Futterimporte, beispielsweise aus Brasilien, untersagt. Dann ist beeindruckend, welchen Einfluss die biodynamischen Präparate und die Kompostwirtschaft auf die Bodenqualität haben. Sehr sympathisch ist mir persönlich die Horngeschichte. Dass bei Demeter die Kühe ihre Hörner tragen, bedeutet für den Bauern, dass sein Stall um einen Drittel grösser gebaut werden muss bzw. ein Drittel weniger Kühe darin Platz haben. Das ist sicher gut für das Tierwohl, macht die Milch aber deutlich teurer.
Wenn es darum geht, wie wir einen Beitrag zur Erhaltung dieser Erde leisten können, ist Demeter ein Vorbild. Es ist der Weg, der eigentlich Standard sein sollte. Die biodynamische Landwirtschaft löst die Herausforderungen clever. Sie geht von der simplen Tatsache aus, dass man nicht folgenlos beliebig viel aus einer Landschaft oder einem Tier herauspressen kann. Spannend finde ich, dass im Moment auch in der konventionellen Landwirtschaft diesbezüglich ein Umdenken stattfindet. Die Kühe sollen vermehrt wieder mit Raufutter gefüttert werden, weil dieses hier wächst. Anstatt 10000 Liter wird eine Kuh in Zukunft nur noch 7000 Liter Milch pro Laktation geben. Die gesamte Milchmenge in der Schweiz wird sinken. Das ist einer der Gründe, weshalb wir auch auf vegane Produkte setzen, zum Beispiel aus Lupinen, die hier angebaut werden können.
Was ist problematisch, könnte aus Ihrer Sicht verbessert werden?
Für uns sind die kleinen Mengen von Demeter-Milch eine Herausforderung. Das Einsammeln der Milch von den einzelnen Höfen bedeutet ein höherer Aufwand. Schön wäre es natürlich, die Höfe würden näher liegen!
Wird das wachsende Bewusstsein in Bezug auf Ernährung und Nahrungsmittelqualität für den Betrieb spürbar? Wie?
Ja, das spüren wir – es gibt keinen Stillstand. Uns werden die Wünsche von Kunden mitgeteilt, die ihrerseits die sich wandelnden Bedürfnisse der Konsumenten wahrnehmen. Aber noch vielmehr sind wir selbst ständig daran, Trends aufzuspüren und neue Produkte zu entwickeln. Das Demeter-Jogurt ist eines davon, aber im Moment entwickelt sich vor allem der Bereich der pflanzlichen Alternativen rasant.
Was würden Sie dem Konsumenten antworten, wenn er einige der Produkte zu teuer findet?
Von der Molkerei Biedermann bekommt der Konsument kein Massenprodukt. Unser Ziel ist es immer, möglichst unverwechselbar zu sein. Wir realisieren Kundenwünsche – da wird der Preis zweitrangig.
Welches Interesse steht dahinter, diesen besonderen Verarbeitungsbetrieb zu führen?
In erster Linie ist es die Begeisterungsfähigkeit des Teams, die mich anspornt. Die Truppe ist motiviert, immer Neues und Besseres zu kreieren. Das macht Freude. Uns interessieren nicht irgendwelche Mengenrekorde, sondern neue, gute Produkte. Dieser Effekt von „Uniqueness“, funktioniert. Unser Erfolgsrezept besteht aus einer ausgewogenen Mischung von Natürlichkeit, Technologie, Cleverness, guten Rezepten und innovativen Produktideen. Wir sind ständig auf Draht … Das kann bisweilen auch stressig sein.
Ist Ihr Unternehmen im Gleichgewicht? Fehlt ihm etwas?
Wenn man in Betracht zieht, welch gewaltigen Aufbau im Bereich der Produkte und der Hygiene wir in den vergangenen Jahren geleistet haben, wundert man sich, wie wir das überhaupt schaffen konnten. Die steile Entwicklungskurve der letzten Jahre beweist, dass das Unternehmen im Fluss ist.
Was wir nun aber haben, ist ein Platzproblem: Wir schaffen das Handling kaum mehr. Langfristige Planung ist gefragt, um diese Dinge auf den Weg zu bringen.
Zum Schluss haben Sie einen Wunsch frei.
Eigentlich bin ich wunschlos glücklich. Ja, vielleicht dies: Ich wünsche mir, dass wir in fünf Jahren die Bestätigung für das erhalten, was wir heute aufgleisen.
Vielen Dank, Herr Hochstrasser, für dieses spannende Gespräch.