Das Verarbeiter-Interview mit Melanie Bigliardi
Ekkharthof Lengwil | Leben aus anderer Perspektive
Der Ekkharthof liegt eingebettet in grüner Wald- und Wiesenlandschaft oberhalb von Kreuzlingen, mit Sicht auf den Bodensee. Hier in Lengwil wird gelebt, gelernt und gearbeitet. Im Einklang mit der Natur bietet der Ekkharthof über 200 Menschen mit Unterstützungsbedarf Lebens- und Entfaltungsraum. Ein breites Angebot an Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten ermöglicht allen betreuten Mitarbeiter*innen eine Tätigkeit, die ihren Fähigkeiten entspricht.
In den Produktionsabteilungen stehen Eigenprodukte aus der biologisch-dynamischen Lebensmittel-Urproduktion und Veredelung im Mittelpunkt sowie funktionelle, ästhetische Produkte aus natürlichen Rohstoffen wie Holz, Ton, Wachs oder Schafwolle. Beschäftigungen finden sich ausser in den Förderateliers in den Produktionszweigen Bäckerei, Einmachküche, Molkerei, Gärtnerei, Landwirtschaft, Auftragswerkstatt und Schreinerei. Weitere Stellen werden den Dienstleistungsbereichen Bio-Laden, Gastronomie, Hauswirtschaft angeboten.
Die Fragen unseres Verarbeiter-Interviews beantwortete Melanie Bigliardi, Leiterin Marketing & Verkauf im Ekkharthof.
Melanie Bigliardi, was ist in Ihrem Betrieb Demeter?
In der Privatwirtschaft ist das Ziel der Arbeit die Produktion, es gibt ein bestimmtes Ziel bis zum Ende des Tages zu erreichen. Das funktioniert hier nicht. Wir sind ein demeterzertifizierter Betrieb und wir wollen die höchsten Qualitätsansprüche erfüllen. Dies ist die grösste Herausforderungen für mich, aber die bisher auch schönste, denn bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt, nicht das Produzieren. Dafür erlebe ich die Freude in den Gesichtern unserer Mitarbeiter*innen, wenn sie eines der von ihnen hergestellten Produkte zum Beispiel in Bern im Verkauf sehen. Dies alles gemeinsam auf die Beine zu stellen ist unglaublich. Leider gibt es kein Demeter-Logo für „Miteinander-Produzieren“!
Was heisst Demeter für die Verarbeitungsprozesse? Was tut Ihr, damit die biodynamische Qualität erhalten bleibt?
Dazu habe ich ein sehr schönes Beispiel. Unser Slogan beim Jogurt heisst: „Acht Meter von der Kuh ins Glas!“. Nach dem Melken wird die Milch direkt in die Molkerei gepumpt, wo sie weiterverarbeitet wird zu Jogurt, Quark und Past-Milch. Unsere Strukturen und die wenigen Eingriffe sind so, dass die Vitalität der Lebensmittel erhalten bleibt.
Hier steht der Mensch steht im Zentrum, nicht das Produkt. Menschen mit einer individuellen Biografie mit Einschränkungen produzieren alles in Handarbeit. Das ist auch der Grund, warum unser Jogurt etwas teurer ist als ein konventionell hergestelltes im Supermarkt. Dass der Mensch ein wichtiger Teil des Kreislaufs ist, bedeutet eben auch, dass die Natur gepflegt und die Ressourcen geschont werden.
Wo können Ekkharthof-Produkte gekauft werden?
Unsere Produkte sind schweizweit im Biofachhandel erhältlich. Dann auch in unserem Onlineshop oder unserem eigenen Bioladen. Unser Bioladen zieht immer mehr auch externe Kunden an. Dazu muss ich kurz ausholen: Der Ekkharthof ist seit zwei Jahren in einer enormen Umbruchphase. Der Umbau soll bis September fertiggestellt sein. Das Motto für den „neuen“ Ekkharthof heisst: „Öffnung“. Neu bekommen wir nun einen einladenden Marktplatz mit einem komplett neuen Bioladen und einer Cafeteria.
Was überzeugt Sie am Label Demeter?
Die Ehrlichkeit der Philosophie. Demeter ist nicht einfach ein Label, das etwas verspricht. Die Natur wird tatsächlich geachtet. Und ich weiss, was „drin“ ist – jedermann kann kommen und sich davon überzeugen. Da kann ich voll und ganz dahinterstehen.
Was ist problematisch, könnte aus Ihrer Sicht verbessert werden?
Aus meiner Sicht könnte von Seiten Geschäftsstelle die Kommunikation zu den Preisen verbessert werden. Wir hören von Konsumenten und Grossisten immer wieder: „Demeter ist viel zu teuer.“
Was antworten Sie persönlich, wenn Produkte als zu teuer bezeichnet werden?
Jeder kann zu uns kommen und sich anschauen, wie unsere Produkte produziert werden. Wenn Skeptiker das sehen, sind die Diskussion bezüglich Preises gleich im Keim erstickt.
Wie schaffen Sie das, dem Kunden, der Kundin diesen Qualitätshintergrund zu vermitteln?
Das ist der nächste Punkt, an dem wir dran sind. Wir werden mit einem komplett neuen Auftritt auf den Markt kommen. Der Mensch im Mittelpunkt und die ganze Philosophie des sorgsamen Umgangs mit der Natur und den Ressourcen soll erlebbar werden. Wir arbeiten dafür mit einer Werbeagentur zusammen, die ebenfalls Menschen mit Beeinträchtigung eine Chance gibt. Sie haben uns sehr gute Vorschläge geliefert. Es geht ja darum, dass jemand im Selbstbedienungsgeschäft vermittelt bekommen muss, dass hinter der doppelt so teuren Guetzlipackung umfassende handwerkliche, soziale und ökologische Qualität steht.
Welches Interesse steht dahinter, diesen besonderen Verarbeitungsbetrieb zu führen?
Meine persönliche Motivation ist es, dass ich wirklich voll und ganz hinter dem stehen kann, was ich hier tue. Jedermann kann jederzeit hier vorbeikommen und sich selbst davon überzeugen, dass wahr ist, wovon wir reden. Wir verwenden ausschliesslich natürlichste Zutaten. Das Miteinander, das wir hier erreichen, ist eine weitere Qualität, von der ich begeistert bin. Hier steht der Mensch auf eine Art und Weise im Mittelpunkt, ohne die Natur auszubeuten und ohne ins Gärtchendenken zu verfallen.
Wenn Sie Ihr Unternehmen befragen, was stellen Sie fest? Ist es im Gleichgewicht? Fehlt ihm etwas?
Ich habe noch nie in einem Betrieb gearbeitet, in dem es so viele wirklich langjährige Mitarbeiter gab, die sich mit ungebrochener Begeisterung einbringen. Wir haben noch so viele Projekte, es ist eine enorm kreative, lebendige Stimmung. Als einziges gilt es jetzt nach zwei Jahren Bauphase noch den letzten Abschnitt durchzustehen – das ist ja immer mit Lärm verbunden. Da kann sich die Angst vor dem Neuen einmischen, ob es wirklich gut wird, ob sich der Weg gelohnt hat, und es braucht täglich Beruhigung und Motivation. Wir sind nun schon seit langem im Übergang; ab September soll hier wieder ein „Normalzustand“ möglich sein. Wenn uns jetzt etwas fehlt, dann eine gewisse routinierte Ruhe. Aber obwohl wir mitten im Gewusel sind – wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich drei Kräne, und etwas rechts davon den Bodensee – sind wir sehr gut aufgestellt. Die Menschen schaffen hier das Gleichgewicht. Tagtäglich.
Zum Schluss haben Sie einen Wunsch frei.
Fürs Unternehmen wünsche ich mir natürlich als Erstes gutes Gelingen für den Schlussspurt beim Umbau. Und dass wir die Vision des Ekkharthofs verwirklichen können. Es ist die grosse Vision der Öffnung. Nicht von ungefähr lautet unser Slogan fürs Herbstfest: «Chumm verbii – lueg drii!» Das «Interne» stimmt schon lange – der Schritt nach aussen ist unser nächstes Abenteuer.
Ganz herzlichen Dank, Melanie Bigliardi, für dieses spannende Gespräch. Wir schliessen uns Ihren Wünschen sehr gerne an.