Die Holle baby food GmbH wuchs 1999 aus der Firma Holle Nährmittel-AG, Arlesheim, heraus und schreibt seit da eine Erfolgsgeschichte sondergleichen. Das Unternehmen wurde von den beiden Inhabern Peter Kropf und Udo Fischer persönlich aufgebaut und wird von ihnen geleitet. Vor fünf Jahren wurde die Geschäftsleitung mit Anne Mutter verstärkt, die den Vorsitz der Geschäftsführung ausübt. Holle beschäftigt 44 Mitarbeitende am Standort in Riehen. Die Logistik erfolgt über die Holle Tochterfirma in Grünsfeld in Deutschland. Holle Produkte sind weltweit in über fünfzig Ländern erhältlich. Das Sortiment umfasst Säuglingsmilchnahrungen, Baby-Getreide- und Milchbreie, Gläschen, Riegel, Zwieback, Keks, Baby-Beikost-Öl, Tees und Knabbereien in Demeter-Qualität.
Die Fragen unseres Verarbeiter-Interviews beantwortete Udo Fischer, Geschäftsführer und Mitinhaber.
Herr Fischer, mögen Sie unseren Leser*innen gleich selbst etwas mehr zur Firma Holle baby food GmbH erzählen?
Holle ist ein traditionelles Baby Food-Familienunternehmen, das seit über 80 Jahren mit biologischen oder wenn immer möglich biodynamischen Produkten Kindernahrung herstellt – und damit eines der ältesten Kindernahrungsunternehmen der Schweiz und wahrscheinlich auch Europa ist. Das Alleinstellungsmerkmal ist, dass es bei Holle immer und ausschliesslich Bio-Rohstoffe gab – konventionelle Produkte gab es nie und soll es auch in der Zukunft nicht geben. Wir sind in dieser Nische positioniert und werden dieser Unternehmensphilosophie und Kultur auch treu bleiben.
Holle wurde 1933 gegründet. Als Pionier-Verarbeitungsbetrieb für biologisch-dynamische Lebensmittel (Brot, Flocken, Körner und Babybreie) gegründet, war Holle einer der ersten Demeter-Produzenten. Wir gehen davon aus, dass zwei bis drei Jahre später erste Schoppen-Rezepturen entwickelt waren: Getreidemehl, im wesentlichen Hafer, aber auch Dinkel und Reis, wurde aufgekocht und dadurch so aufgeschlossen, dass es verdaulich wurde. Danach wurde es mit etwas Milch und Milchzucker, dem Sofort-Energielieferanten, ergänzt.
Das war in der damaligen Zeit für viele Mütter die einzige Möglichkeit, ihr Kind selbst durchzubringen, wenn es mit dem Stillen nicht klappte oder wenn keine Amme zur Verfügung stand. Damals war diese Situation lebensbedrohlich; es gab ja noch kein Milchpulver, das in jedem Laden gekauft werden konnte. Der Begründer, Dr. Diefenbacher, forschte intensiv, wie eine Säuglingsernährung zusammengesetzt sein musste, um ein Ersatz für die fehlende Muttermilch sein zu können. Das war die Geburtsstunde der biodynamischen Flaschennahrung. Auf Bio-Rohstoffbasis waren wir somit bei den Ersten, die so etwas entwickelt haben. Für „Bio“ gab es damals zwar noch kein Bewusstsein, aber aufgrund des Landwirtschaftlichen Kurses von Rudolf Steiner war schon bekannt, dass die Qualität der Lebensmittel abgenommen hatte und durch bewusstes Eingreifen des Menschen wieder verbessert werden musste. Holle Babynahrung war die biodynamische Antwort auf die Frage nach der Gesundung der Erde und einer unabhängigen Säuglingsnahrung bei Ausfallen der Muttermilch. Und da das Baby immer das sensibelste Geschöpf in der Schöpfung ist, war das schon sehr innovativ für die damalige Zeit.
Was ist in Ihrem Betrieb Demeter?
Unser Unternehmens-Selbstverständnis gründet auf der Vorstellung von zukunftsfähiger Landwirtschaft, eben dem biologisch-dynamischen Landbau, aus dem fast alle der von uns verwendeten Rohstoffe stammen. Holle war 1951 einer der ersten Demeter-Lizenznehmer mit Demeter-Herstellervertrag in Deutschland, wo der Demeter-Verband ja viel früher als in der Schweiz gegründet wurde. Bis heute ist Holle der einzige Anbieter in Europa mit einem vollumfassenden Säuglingsnahrungssortiment in Demeter-Qualität. Diese Marktnische werden wir auch in Zukunft weiterbetreiben. Es gibt auch Produkte, die „nur“ in Bio realisierbar sind, weil gewisse Rohstoffe nicht in Demeterqualität verfügbar sind. Das versuchen wir zu optimieren, aber es lässt sich nicht ganz vermeiden. Aber im Wesentlichen sind wir auf Demeter ausgerichtet.
Was heisst Demeter für die Verarbeitungsprozesse? Was tun Sie, damit die biodynamische Qualität erhalten bleibt?
Unsere Produkte sind auf die ernährungsphysiologischen Bedürfnisse und die Entwicklung des Kleinkindes abgestimmt. Das heisst, es gibt bei uns keine ‚konsumige‘ Fantasieprodukte, aber auch keine Schokoriegel oder Produkte, denen in irgendeiner Form irgendeine Zuckerart oder Salz zugefügt werden.
Priorität hat immer das Ernährungsbedürfnis des Kindes. Dann leitet uns die Frage: Was ist sinnvoll im Rahmen einer vollwertigen und wesensgemässen Ernährung für das Kleinkind? Wir belassen die Produkte nach Möglichkeit oder verarbeiten sie so schonend wie möglich. Das heisst, es gibt keine Demeter-Produkte, die über Extruderverfahren oder anderswie hochgradig schnell verändert oder verarbeitet werden. Es gibt Breie, die mit nur einer Getreideart, also möglichst rein, rezeptiert sind.
Zubereitet werden die Breie zum Beispiel mit (Mutter-)Milch, ergänzt mit Obst oder Gemüse. Weniger sinnvoll finden wir Produkte, die Zusatzstoffe wie Schokolade oder vielerlei Fruchtpulver enthalten, die nach unserer Meinung ein Kind nicht braucht.
Die Produktionsweise ist die eines Industriebetriebs mit hohem Hygienestandard – wir betreiben eine Qualitätssicherung, Rückstandsanalytik usw. Keimfreiheit ist ein Thema, ebenfalls die Rückverfolgbarkeit, die Qualitätssicherung vom Endprodukt bis ganz zum Anfang, zum Bauern.
Was überzeugt Sie am Label Demeter?
Zum einen bin ich persönlich davon überzeugt, dass weltweit die Erde nur gesunden kann, wenn man die Bodenfruchtbarkeit durch eine Landwirtschaft wie die biologisch-dynamische erhält oder optimiert und verbessert und die Bodenerosion verhindert. Da ist die biodynamische Landwirtschaft mit dem Einsatz der Präparate und der Berücksichtigung der kosmischen Gesamtzusammenhänge einfach Spitze – das wurde vielfach nachgewiesen. Man kann ihre Wirkung auch ganz einfach an der Anzahl Würmer im Boden ablesen. Oder an der Karotte, die in einem Kompost viel länger zum Verrotten braucht, weil sie so voller Lebensenergie oder Vitalkraft ist. Das kann nur vom Boden herrühren – und der ist die Grundlage der Landwirtschaft.
Die biodynamische Landwirtschaft kann uns, auch wenn wir dereinst 10 oder 15 Milliarden Menschen sein sollten, langfristig ernähren – wogegen die konventionelle Form der Landwirtschaft die Böden zerstört.
Wir haben viele Projekte im Bereich der Nachhaltigkeit, unser Unternehmen ist CO2-neutral, wir investieren viel Geld in Humusprojekte, gemeinsam mit dem Unternehmen Soil&More – zum Beispiel das Wiederbeleben einer Wüste in Kairo, wo heute unter anderem Teekräuter wachsen. Wir haben Untersuchungen zur Humusbildung, zur Bodenfruchtbarkeit und der CO2-Bindung in den Böden unserer Milchbauern machen lassen, und das Resultat war eindeutig: Sie unterscheiden sich signifikant von Böden aus normalem Bioanbau, nachzulesen ist dies auf unserer Nachhaltigkeits-Website. Wir wollen unsere Prozesse so gestalten, dass sie sinnvoll und zukunftsweisend der Umwelt nicht einfach etwas „wegnehmen“, sondern eher der Welt wieder etwas zurückgeben.
Was ist problematisch, könnte aus Ihrer Sicht verbessert werden?
Geschlossene Hofkreisläufe sind zwar die beste Variante, aber die Rinderhaltung ist für grössere Betriebe, die überwiegend im Obst-und Gemüseanbau tätig sind, oder auch Gärtnereien eine Herausforderung. Da muss von andern Höfen Mist zugekauft werden, und ich wünschte mir, dass man da nicht in den Dogmen steckenbleibt – dass zum Beispiel auch der Austausch über die Landesgrenzen hinweg möglich wird. Wichtig finde ich auch, dass Tierwohl und Tiergesundheit ein zentrales Thema werden. Ebenso, dass man das Thema der horntragenden Rinder im Auge behält und nicht auf einmal genetisch hornlos gezüchtete Tiere akzeptiert.
Im Bereich der Verarbeitungsgrundsätze und Produktentwicklung gibt es den Spagat zwischen dem, was in den Richtlinien vorgesehen ist und dem, was heutige Konsumentenbedürfnisse erfordern, nämlich vermehrt die Entwicklung von Convenience-Produkten – schnelle Küche, Dinge, die man unterwegs zu sich nehmen kann und so weiter. Beispielhaft hierfür ist z.B. eine länger haltbare Milch, die von Verbrauchern gewünscht wird, Kuchen- und Brotbackmischungen, Snacks und Frühstücksprodukte, die sich in der Mikrowelle sofort zubereiten lassen usw. Das entspricht nicht unbedingt den puristischen Vorgaben des Verbandes, aber dem Wunsch der Konsumenten. Solche Dinge müssen aber immer wieder sorgsam geprüft und behutsam entschieden werden. Qualität darf nicht verwässert werden, aber letztendlich muss unsere Produktegruppe auch attraktiv sein, wir müssen Verbrauchererwartungen erfüllen, und da kann man nicht auf einem Punkt stehen bleiben, an dem man vor einigen Jahren glaubte, es sei alles in Ordnung. Für die nächsten dreissig Jahre wird das nicht funktionieren.
In der Schweiz ist man ja erst am Aufbau der Vernetzung der Hersteller untereinander. Da werden wir solche Fragen verstärkt in den Verband einbringen können.
Wird das wachsende Bewusstsein im Bezug Ernährung und Nahrungsmittelqualität für den Betrieb spürbar? Wie?
Wir nehmen sehr stark wahr, dass junge Mütter ein höheres Bewusstsein haben. Oft stellt man sich ja in der Schwangerschaft zum ersten Mal die Frage: Welche Lebensmittelqualität will ich für mein Kind, und welche Form von Ernährung wollen wir grundsätzlich für unsere Familie? Wenn Mütter sich dann für Bio-Qualität entscheiden, kommen sie relativ schnell auf Demeter Baby-Nahrung und auf biodynamische Produkte. Sie setzen sich dann stark damit auseinander, was ernährungssinnvoll für ihr Kind ist, welche Form und in welcher Zusammensetzung. Und dann wird stark hinterfragt, welche Landwirtschaft dahintersteckt. Mütter tauschen sich auch untereinander rege aus. Es geht ihnen um das Geschmackserlebnis – die Produkte schmecken rein, natürlich, unverfälscht und intensiv. Sie kaufen dann gezielt diese Produkte ein und wählen die Einkaufsgeschäfte, die sie führen. Man kauft nicht im Discounter, sondern im gehobenen Handel, oft mit Beratung in der Drogerie, im Bioladen oder im Reformhaus.
Was würden Sie dem Konsumenten antworten, wenn er einige der Produkte zu teuer findet?
Die Frage ist nicht, ob die Produkte teuer sind, sondern ob sie ihren Preis wert sind. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Mütter, die sich mit Lebensmittelqualität, mit biodynamischer Landwirtschaft und unserer Marke Holle auseinandergesetzt haben, gerne bereit sind, einen entsprechenden Mehrpreis zu bezahlen, weil sie uns vertrauen. Sie haben den Anspruch, für diese Lebensphase während der Zeit nach dem Stillen bis zum zweiten Lebensjahr, in der sie für ihr Kind Kindernahrung benötigen, die beste Qualität auszuwählen, und nicht das billigste Produkt – sofern das Haushaltsbudget dies erlaubt. Aber wir haben viele Mütter mit kleinerem Einkommen, die uns rückmelden, dass sie gerne bereit sind, ein hochpreisigeres, qualitatives Produkt für ihr Kind zu kaufen und dass sie in der Zeit auf anderes im Bereich Medien oder Elektronik usw. verzichten. Sie setzen Prioritäten, damit das Kind eine gute Grundlage für seine Entwicklung bekommt.
Der Preis wird natürlich diskutiert, wir müssen marktkonform und wettbewerbsfähig sein, aber wichtig bei unseren Preisen ist, dass auch beim Bauern etwas ankommt. Es ist nicht sinnvoll, in der Preisspirale immer tiefer zu sinken, weil am Ende des Tages der Bauer die Zeche bezahlt. Und wenn der Bauer nicht mehr genügend Mittel hat, um diese Form der aufwändigen Landwirtschaft zu betreiben, dann drehen wir uns im Kreis und werden alle zu Verlierern.
Die biodynamische Landwirtschaft erfordert einen höheren Preis, denn die Erträge sind niedriger, die Aufwände auf dem Acker sind höher, die Arbeitszeit ist höher.
Welches Interesse steht dahinter, diesen besonderen Verarbeitungsbetrieb zu führen?
Letztendlich ist es eine durchaus sinnvolle Tätigkeit. Früher war ich auch mal im Marketing für Kosmetika und Körperpflegeprodukte tätig, bevor ich bei Holle anfing und später ja dann auch Inhaber wurde. Auf der einen Seite tut man etwas für die Umwelt, für die Landwirtschaft, auf der anderen Seite bietet man sinnvolle Produkte für junge Familien an. Es gibt Kraft, wenn man sieht, wie das wächst. Wir sind mittlerweile in über fünfzig Ländern vertreten, das heisst, wir sind weltweit aktiv und können in all diesen Ländern für eine grosse Anzahl Familien zufriedenstellende, beste Qualitätsprodukte versorgen – das ist ein Motor, der von sich aus antreibt.
Ist Ihr Unternehmen im Gleichgewicht? Fehlt ihm etwas?
Das Unternehmen ist im Fluss. Wir entwickeln uns selbstverständlich weiter in Form von mehr und höherer Investitionen in Produktionsanlagen und Produktionskapazitäten. Aber das Unternehmen an sich ist stabil, wir sind wirtschaftlich sehr gesund, wir sind unabhängig von anderen und als Zweifamiliengesellschaft in sehr schlanken Strukturen: Wir können entscheiden, ohne erst einen Konzern oder etwas Ähnliches um Erlaubnis fragen zu müssen.
Wie schaffen Sie es, in einem so industrialisierten Betrieb in Bezug auf die Mitarbeiter Ihren Grundsätzen treu zu bleiben?
Wir sind ein moderner Industriebetrieb mit hoher Ethik. Dank einer zweiten Führungsebene, die Verantwortung trägt in den einzelnen Abteilungen, haben wir eine intensive Mitarbeitereinbindung. Dann haben wir Mitarbeiterschulungen und -entwicklungsgespräche, wir haben Mitarbeiterseminare, alle werden eingebunden in eine sehr offene Informationspolitik. Wir updaten unsere Mitarbeiter monatlich über die Umsatzentwicklungen, Strategien und Ziele – dies ist meist verbunden mit einem gemeinsamen Essen. Eine persönliche Mitarbeiterführung ist Grundlage dafür, dass diese mitziehen können. Wir haben sehr wenig Fluktuation – und wenn, dann weil unsere jungen Mitarbeiterinnen schwanger werden, und da müssen wir ja eigentlich froh drüber sein …! Aber ansonsten ist dieser familiäre Charakter im Betrieb spürbar.
Zum Schluss haben Sie einen Wunsch frei.
Ich würde mir wünschen, dass Demeter Schweiz die ganze Philosophie, auch die der Produktehersteller, in die Köpfe der Verbraucher transportiert, sich mehr engagiert in der Kommunikation, auch im Bereich von Events, zum Beispiel auf Bauernhöfe einlädt und diese besondere Art der Landwirtschaftsprodukte stärker kommuniziert und auch intensiver via soziale Netzwerke verbreitet. Das wünsche ich mir vom Demeter Verband. Dass er sich nicht nur begrenzt auf das Thema Landwirtschaft und Erzeugung, sondern viel stärker auch darauf, was die Vorteile dieser Produkte sind und sich Gedanken darüber macht, wie man dies vernünftig und in zeitgemässer Form kommunizieren könnte, damit möglichst viele Verbraucher*innen damit in Kontakt kommen. Dass sie es attraktiv finden, weil sie sagen: Mir ist Tierwohl ganz wichtig, ebenso Lebensqualität, Umwelt, Zukunftsfähigkeit der Erde, Landwirtschaft – das sind Themen, für die die jungen Verbraucher sehr offen sind.
Man muss nicht mit Theorien kommen, sondern die Ergebnisse zeigen. Zum Beispiel die langsamere Verrottung. Oder eben auch das Thema Bodenfruchtbarkeit, wo die Resultate ja nachprüfbar vorliegen, das leuchtet ebenfalls ein. Das kann man transportieren in einfachen sinnvollen Botschaften wie: „Wenn ihr wollt, dass die Erde auch für die nächste Generation noch Kraft hat und vollwertige Produkte hervorbringen kann, ohne Gentechnik und wenn immer möglich aus samenfesten Sorten, dann müsstet ihr euch eigentlich für die biodynamische Landwirtschaft engagieren. Damit kann man junge Menschen begeistern. Es ist eine spannende Aufgabe, zusammenzufassen, was die Vorteile, was die Alleinstellungsmerkmale dieser Landwirtschaft sind und diese in den entsprechenden Kommunikationskanälen einzubringen. Da kann der Verband sicher noch einen Schritt weitergehen.
Vielen Dank, Herr Fischer, für dieses spannende Gespräch.