BauernZeitung | 14. Januar 2022
Auswanderer / Egon Tschol ist mit seiner Familie nach Argentinien ausgewandert. Er setzt auf Bäume, um den Boden zu verbessern.
«Wer Bäume pflanzt, obwohl er weiss, dass er nie in ihrem Schatten sitzen wird, hat zumindest angefangen, den Sinn des Lebens zu begreifen.» Ganz nach dem Motto dieses Zitats von Rabindranath Tagore setzten wir das Projekt «Agroforst» zuoberst auf die Pendenzenliste. Wir planten, auf einer kleinen Probe-Parzelle von 8 ha 385 Bäume in sieben Reihen im Ab-stand von je 50 m zu pflanzen. Sollte es funktionieren, würden wir diese Methode auf weitere 45 ha ausweiten.
Trocken und mit viel Wind
Ursprung des Agroforst-Gedankens war das trockene Klima und der Wind, der hier im Süden der Provinz Buenos Aires stets weht. Die Erträge der in dieser Region hauptsächlich betriebenen, konventionellen, pfluglosen Agrarwirtschaft liegen etwa auf der Hälfte des Schweizer Durchschnitts. Dazu kommen auf zehn Jahre zwei Jahre ohne Ertrag wegen der Trockenheit im Frühling.
Die Niederschläge liegen mit ungefähr 600 mm pro Jahr zwar noch im Bereich des Möglichen, aber die Luftfeuchtigkeit von etwa 25 % im Sommer lässt zusammen mit dem Wind in extremen Jahren kein Wachstum zu. Bewässerung ist zu teuer für Weizen, Hafer, Mais, Sorghum, Sonnenblumen und Gerste, welche hier die Hauptkulturen darstellen. Der Boden ist tiefgründig und erstaunlich humos, aber die Feuchtigkeit fehlt. Ernterückstände vom Mais vor drei Jahren sind noch vorhanden – es findet keine Kompostierung statt. Bis 15 cm Tiefe ist die Erde weich, dann wird sie hart wie Beton. Mag sein, dass die pfluglose Bewirtschaftung im Vorfeld dazu führte. Die Kombination von Bäumen mit Agrarkulturen scheint mir der richtige Weg zu sein, das Problem zu lösen und Folgendes zu verändern:
- Die Bäume bieten Windschutz, so dass die Winderosion gebremst wird und der Austrocknungseffekt verringert wird.
- Der Boden wird tiefer durchwurzelt und Wasser von tieferen Regionen nach oben befördert.
- Es entsteht Mulch durchdas fallende Laub.
- Schatten verringert dieVerdunstung.
- Die erhöhte Biodiversität fördert Nützlinge.
Obwohl wir aktuell 150 ha bewirtschaften und künftig 250 ha, lohnt sich der Kauf eigener Maschinen nicht. Die Preise für Traktoren und Maschinen sind hier doppelt so hoch wie in der Schweiz, das Erntegut wird zu tiefen Weltmarktpreisen verkauft und Direktzahlungen gibt es hier nicht. Deshalb arbeite ich bei den kleinen Parzellen in der Grössenordnung von 1 ha mit unseren Urfreibergerpferden mit altem Gerät und engagiere für die grösseren Flächen Lohnarbeiter.
Von Akazie bis Pappel
Wir entschieden uns, zehn verschiedene Baumarten für unser Agroforst-Projekt einzusetzen und da den Fokus auf Regionalität und Trockenheitsresistenz und nicht auf Ertrag zu setzen. Johannisbrotbaum, Pfefferbaum, Akazie, Calden, Eukalyptus, Kasuarine – für uns eher exotische Bäume – waren auf der Einkaufsliste. Aber auch Bekanntes wie Pyramidenpappeln, Nuss-, Mandel- und Olivenbäume. Dank der Hilfe von einigen Freunden der Vorbesitzer, die zu unseren Freunden wurden, schafften wir das Pflanzen der insgesamt 385 Bäume in der Grösse zwischen 1,20 m bis 3 m innert Wochenfrist. Dabei fand ich heraus, dass es am einfachsten ist, zunächst mit dem Lochbohrer auf etwa 25 cm vorzubohren, dann 20 Liter Wasser hineinzuschütten, eine Nacht abzuwarten und dann am darauffolgenden Morgen erneut mit dem Lochbohrer die restlichen 50 cm tief zubohren.
Hupen für die Baumpflanzer
Das Pflanzen war nicht die grösste Arbeit. Diese folgte danach. Die Bäume waren allerlei Bedrohungen durch Blattschneiderameisen, Papageien und Hasen ausgesetzt, was Schutzmassnahmen und Präsenz verlangte. Zudem brauchten die jungen Bäume Wasser und die Lieferung und Installation der Bewässerungsanlage verzögerte sich um mehrere Monate. Dies wussten wir zum Zeitpunkt des Pflanzens nicht. Deshalb hiess es von nun an, zwei Mal pro Woche mit dem Traktor und einem 1500-Liter-Wasserfass die 385 Bäumeeinzeln zu giessen. Etwa fünf Stunden dauert eine solche Rundfahrt. Entschädigt wird man dadurch, dass praktisch jeder Autofahrer, der auf der angrenzenden Strasse vorbeifährt, freudig hupt und winkt, denn Bäume pflanzen ist in Argentinien ein gern gesehener Akt der Naturliebe. Eines steht schon während der ersten Wochen unserer Argentinien-Präsenz fest: Wir fangen wieder auf Feld eins mit unserem Wissen an und müssen noch viele Erfahrungen machen, wie der nächste Bericht zeigen wird.
Egon Tschol
Die Bäume wollen bei dem trockenen Klima in Argentinien alle gegossen werden – eine umständliche Arbeit, wenn die Bewässerungsanlage noch nicht steht. (Bilder Egon Tschol)
Egon Tschol fand die richtige Pflanztechnik, um die Bäume in kurzer Zeit zu pflanzen.
Zur Person
Mit 40 Jahren wechselte Egon Tschol von seinem Beruf als Finanzanalyst in die Landwirtschaft und übernahm 2009 einen Betrieb von 11 ha im schaffhausischen Klettgau. Er stellte auf Demeter und Mischfruchtanbau um. Mit Ehefrau Bea und den zwei Töchtern Fiona und Zoé sowie sechs Pferden wanderte er 2020 nach Argentinien aus, um die erlernte regenerative Landwirtschaft auf einer 15-mal grösseren Fläche uneingeschränkt anzuwenden.
Zur Person
Mit 40 Jahren wechselte Egon Tschol von seinem Beruf als Finanzanalyst in die Landwirtschaft und übernahm 2009 einen Betrieb von 11 ha im schaffhausischen Klettgau. Er stellte auf Demeter und Mischfruchtanbau um. Mit Ehefrau Bea und den zwei Töchtern Fiona und Zoé sowie sechs Pferden wanderte er 2020 nach Argentinien aus, um die erlernte regenerative Landwirtschaft auf einer 15–mal grösseren Fläche uneingeschränkt anzuwenden.