DIE KINDHEIT AM GAUMEN
Die Gesundheitswelle spült Relikte aus früheren Zeiten ins moderne Bewusstsein: Für den Sauerampfer von Demeter-Bauer Klaus Böhler pilgert sogar Rolf Hiltl nach Seuzach. Im Kundenmagazin BEYOND von Beyer kann man die Begegnung in Wort und Bild miterleben.
Von Matthias Mächler Fotos: Bruno Augsburger
Biodynamische Bauern zelebrieren in Vollmondnächten schamanische Rituale. Denkt man. Sie brauen geheimnisvolle Tinkturen und massieren damit ihre Pflanzen. Denkt man, denn Chemie dürfen sie ja nicht einsetzen. Und sie hegen und pflegen die Würmer und Käfer auf ihren Äckern wie Haustiere. «Der letzte Punkt hat was», meint Klaus Böhler, einer der innovativsten biodynamischen Bauern der Schweiz, und lacht. «Ich freue mich über jeden Wurm, der mir beim Auflockern der Erde hilft.» In erster Linie aber richte er sich nach dem Wetter. «Wenn die Bedingungen mit dem Mondkalender zusammenpassen – umso besser.»
«Diese pragmatische Einstellung gefällt mir», sagt Rolf Hiltl. Der Zürcher Vegi-Gastroguru ist nach Seuzach gekommen, um endlich zu sehen, woher Dinkelgras, Grünkern und Sauerampfer kommen, die in den Hiltl- und tibits-Küchen dermassen Anklang finden. Seit bald zehn Jahren arbeiten Böhler und Hiltl zusammen. Persönlich begegnet sind sie sich noch nie, was kaum zu glauben ist: Die beiden wirken kumpelhaft vertraut, wie sie auf dem freien Feld Blätter kauen, an Gräsern schnuppern, in Wurzeln greifen und fachsimpeln über die Geschmäcker und Gerüche aus Kindheitstagen.
Schon als Bub habe er ständig Sauerampfer gekaut, verrät Hiltl. Und er tue es heute noch, vor allem auf Wanderungen. Der angenehme und erfrischend saure Geschmack im Mund sei ein bisschen wie eine Zeitmaschine, die Erinnerungen weckt. Bauer Böhler wiederum ist fasziniert von der Widerstandskraft des Sauerampfers: «Er braucht die Kälte im Winter, trotzt aber auch heissen Sommertagen oder anhaltender Feuchtigkeit. Ausserdem besitzt er einen erstaunlichen Nährwert.» Ein überdurchschnittlich hoher Vitamin-C-Gehalt, Bitterstoffe und Gerbstoffe, welche die Produktion von Verdauungssäften anregen, sowie die blutreinigende und wassertreibende Wirkung machen den hundskommunen Sauerampfer zum Wunderkraut, das sich hervorragend zur Wiederentdeckung guter alter Dinge eignet.
INSPIRATION FÜR RESTAURANTS
Dass dieses Knöterichgewächs überhaupt auf Böhlers Feld in Seuzach wächst, ist der Kartause Ittingen zu verdanken: Sie hatte sich vor sechs Jahren bei Klaus Böhler nach ihm erkundigt. Da der studierte Agronom gern Neues ausprobiert, entwickelte er eine eigene Saat und reüssierte. «Heute ist der Sauerampfer gefragter denn je», sagt er. Und Rolf Hiltl freut sich, dass es Böhler gelungen ist, die Erinnerung an dieses Kraut in ihm wachzurufen: Einem Salat, einem Rührei oder einem Risotto verleiht er ganz einfach die besondere Note. «Die Nähe von Klaus zu seinen Produkten ist bemerkenswert», bringt es Hiltl auf den Punkt. «Es braucht dringend mehr Produzenten, die in dieser Qualität etwas anstossen und uns Restaurants mit ihrem Wissen inspirieren. So kommen unsere Rezeptentwickler auf neue Ideen, unser Buffet wird noch überraschender, und das Interesse der Gäste an nachhaltig angebauten lokalen Produkten steigt.» Womöglich könne auf diesem Weg etwas gemacht werden gegen die grassierende Überzüchtung der Produkte und die Ausbeutung der Natur, gibt sich Rolf Hiltl optimistisch.
Bei Klaus Böhler jedenfalls steht gelebte Nachhaltigkeit an erster Stelle. Er will dereinst einen intakten Boden weitergeben können.
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